Qualifizierung und Weiterbildung

Experimentieren ausdrücklich erwünscht!

Wissen, Spaß und viel Praxisbezug: Die Weiterbildung zum Techniker an der Fachschule für Kunststoff- und Kautschuktechnik in Gelnhausen macht Absolventen zu hoch begehrten Fachkräften

von Isabel Christian

· Lesezeit 4 Minuten.
Spaß am Tüfteln: Hikmet Türkes bereitet einen Roboter für ein Experiment vor. Foto: Gerd Scheffler

Einfach mal ausprobieren und gucken, was passiert: Während freie Experimente im Unternehmensalltag eher selten möglich sind, sind sie an der Technikerschule Gelnhausen ausdrücklich erwünscht. Seit ein paar Wochen experimentieren Manuel Bäuscher, Michael Dorminger und ihre Mitstudierenden in der Weiterbildung zu staatlich geprüften Technikern Kunststoff- und Kautschuktechnik mit einem neu entwickelten biobasierten Thermoplast, das dem Technikum zur Erprobung gestellt wurde.

Das Leuchten in ihren Augen verrät die Begeisterung für den Werkstoff. Der basiert auf Maisstärke, lässt sich wie Kunststoff formen, löst sich aber in Wasser rasch und rückstandslos auf. Gedacht ist er als umweltfreundlicher Ersatz etwa für Einweggeschirr. Die Studierenden wollen herausfinden, woraus das Material genau besteht, um die Möglichkeiten zur Verarbeitung und Verwendung auszuloten. „Als Erstes haben wir ein bisschen darauf herumgekaut. Es schmeckte süß und geleeartig wie Medikamentenkapseln“, erzählt Dorminger. Beim Erhitzen in der Spritzgussmaschine roch es lecker nach Popcorn, doch das Experiment ging zunächst schief. Die Masse blieb in der Maschine stecken. „Wir mussten den Bunsenbrenner einsetzen, um sie wieder freizubekommen“, erinnert sich Bäuscher lachend. Vor allem die Praxis ist der Grund, weshalb die angehenden Techniker ihre Ausbildung mit so viel Eifer verfolgen.

„Mein Chef riet mir zur Technikerausbildung“ - Michael Dorminger

„Ich bin ehrlich, zuerst habe ich die Ausbildung nur wegen der Aussicht auf ein zukünftig besseres Gehalt angefangen“, erzählt Dorminger. Vor sieben Jahren ließ sich der heute 33-Jährige zum Verfahrensmechaniker Kunststoff und Kautschuk mit dem Schwerpunkt Formteile ausbilden. Kurz danach stieg er zum Projektleiter auf. „Mein Chef, der sehr sozial und vorausschauend ist, riet mir allerdings dazu, noch die Technikerausbildung aufzusatteln, und hat mich dafür sogar freigestellt.“ Die richtige Entscheidung, wie sich schnell herausstellte. „Man kann hier sehr viel experimentieren, erforschen und sein Wissen verfestigen. Das macht großen Spaß“, sagt Dorminger.

Doch die Weiterbildung, die sich an Verfahrensmechaniker aus dem KuK-Bereich, Maschinen- und Anlagenführer und Fachkräfte aus den industriellen Metallberufen mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung richtet, hat noch viel mehr zu bieten. So können sich die Studierenden auch zu Qualitätsassistenten fortbilden und verschiedene Zertifikate, wie etwa das KMK-Fremdsprachenzertifikat, erwerben. Aktuell ist die Weiterbildung zum Techniker Kunststoff- und Kautschuktechnik auf zwei Jahre im Vollzeitstudium ausgelegt. Ab September 2024 soll es den Abschluss auch in Teilzeit nach drei Jahren geben.

Mohamad Hassoun (links) und Nils Heininger tauschen sich über das Ergebnis eines Gummispritzgusses aus. Foto: Gerd Scheffler

Mohamad Hassoun (links) und Nils Heininger tauschen sich über das Ergebnis eines Gummispritzgusses aus. Foto: Gerd Scheffler

Keine festen Unterrichtsfächer

Durch den Förderverein (FKB) der Fachschule für Kunststoff- und Kautschuktechnik, in dem sich zahlreiche namhafte Firmen der Branche engagieren, haben die Studierenden eine sehr enge Praxisbindung. „Wir richten unsere Unterrichtsinhalte möglichst nach den Erfordernissen der Industrie aus und bitten diese, uns Hinweise zu geben: Was sollen wir unterrichten, um unsere Studis bestmöglich für eure Anforderungen zu schulen?“, sagt Arnold Flach (StD), Abteilungsleiter der Technikerschule. Aktuell etwa besteht ein großer Wunsch der Industrie nach vertieften Kenntnissen im Bereich der Automation. Und so lernen die Studierenden nicht nur das Führen von Maschinen, sondern auch die Koordination der Zusammenarbeit und das Programmieren von kollaborativen Robotern, sogenannten Cobots. Feste Fächer gibt es in der Ausbildung nicht. Stattdessen sind Inhalte wie Konstruktionstechnik, Projektmanagement oder Mathe und Englisch in Lernfelder aufgeteilt und werden in Projekten miteinander verzahnt.

„Es kommt auch häufig vor, dass wir reale Aufträge aus der Industrie bekommen und uns die Unternehmen um Lösungen für ein spezielles Problem bitten, vor dem sie gerade stehen“, sagt Flach. Dann machen sich die Studierenden engagiert ans Werk, diskutieren, erproben und präsentieren den Auftraggebern zeitnah innovative Möglichkeiten. Im Gegenzug revanchieren sich die Firmen, indem sie der Schule neue Maschinen und Materialien stiften.

Techniker sind gefragt

Aktuell zählt der Ausbildungsjahrgang in der Grundstufe 13 und in der Oberstufe 15 Studierende. Da die Zahlen für eine Erstausbildung in der Kautschuk- und Kunststoffindustrie seit einigen Jahren stark rückläufig sind, fällt es der Technikerschule zunehmend schwer, Anwärter für die Weiterbildung zum Techniker zu finden. Deshalb hat die Schule ihr Einzugsgebiet ausgeweitet und hofft darauf, dass das hessische Kultusministerium auch Klassen unter der vorgeschriebenen Mindestgröße genehmigt. „Wenn wir diese Ausbildung in dieser technisch einmalig ausgestatteten Schule nicht mehr anbieten könnten, wäre das ein großer Verlust für die Innovationsfähigkeit unserer Branche“, sagt Flach.

Auf dem Arbeitsmarkt sind die Techniker sehr begehrt. Manuel Bäuscher kam über die Leiharbeit in die Branche, absolvierte eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer, und als sein Betrieb in die Insolvenz ging, entschied er sich, zu kündigen und sich noch einmal weiterzubilden. Zukünftig möchte er im Bereich Qualitätsmanagement arbeiten. „Ich bin zwar noch einige Monate vom Abschluss entfernt, schreibe aber schon Bewerbungen, und es sieht sehr gut für meine berufliche Zukunft aus“, sagt der 33-Jährige zufrieden.

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