Qualifizierung und Weiterbildung
Jetzt zeigt sich die Krise auch am Arbeitsmarkt
2,8 Millionen Menschen sind ohne Job, die Arbeitslosigkeit wird 2025 wohl weiter steigen. Und trotzdem muss Deutschland gegen Fachkräftemangel kämpfen
von Thomas Hofinger

Nürnberg/Köln. Wenn ein Industriestaat nicht mehr wächst, zeigt sich das über kurz oder lang auch am Arbeitsmarkt. Genau das passiert derzeit in Deutschland. Die Arbeitslosenquote ist im Schnitt des Jahres 2024 merklich gestiegen, wie schon 2023. Und sie wird sich allen bisherigen Prognosen zufolge 2025 weiter verschlechtern. Im Dezember waren 2,8 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, 170.000 mehr als im Dezember zuvor, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) meldet. Jeder dritte Betroffene ist schon länger als ein Jahr ohne Job.
Industrie baut tausende Stellen ab
Besserung ist nicht in Sicht. Bei den neu gemeldeten Stellen gibt es laut BA sogar einen „historischen Tiefstand“. Das Beschäftigungsbarometer des Forschungsinstituts Ifo misst schon seit drei Jahren sinkende Werte, inzwischen ist der Stand so schlecht wie seit dem Corona-Sommer 2020 nicht mehr. „Immer weniger Unternehmen bauen Personal auf“, heißt es dazu beim Ifo, „dafür steigt der Anteil der Betriebe, die Arbeitsplätze abbauen wollen.“ Und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) stellt fest: 38 von 100 befragten Firmen wollen ihre Belegschaft 2025 reduzieren – nur 17 rechnen mit einem Stellenplus.
Einen anhaltenden Rückgang der Beschäftigung verzeichnen vor allem die Industrie, die bekanntlich seit Jahren in einer zähen Krise feststeckt, sowie die etwa vom industriellen Mittelstand häufig genutzte Zeitarbeit. Allein im Verarbeitenden Gewerbe sind seit Herbst 2023 schon rund 100.000 Stellen verloren gegangen, wie IW-Ökonom Holger Schäfer erklärt.
Um gegenzuhalten, hat die scheidende Bundesregierung kurz vor Weihnachten die mögliche Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds auf 24 Monate verdoppelt. Eine gute Idee? „Nein“, sagt Schäfer, „das ist jetzt nicht sinnvoll. Wir wissen ja nicht, wann und wie diese strukturelle Krise vorbeigeht. Verlängertes Kurzarbeitergeld behindert also nur die grundsätzlich nötige Umstrukturierung wie auch die nötige Umorientierung der einzelnen Arbeitnehmer.“
Flexibilität statt Bürokratie
Was sollte die Politik denn stattdessen tun? Klar: Alles, was der Wirtschaft helfen könnte. Aber: Kurzfristiger Aktionismus am Arbeitsmarkt gehört eben nicht dazu. Denn die größte Herausforderung für unsere Gesellschaft steht sozusagen schon vor der Tür: der sogenannte demografische Wandel. Im Lauf der nächsten Legislaturperiode werden deutlich mehr Ältere in Rente gehen, als Jüngere aus den Schulen kommen.
„Die aktuell etwas steigende Arbeitslosigkeit verstellt leider den Blick auf diese demografisch bedingte deutliche Verknappung des Arbeitskräfteangebots“, warnt IW-Experte Schäfer. „Wir müssen aber tatsächlich schon jetzt alle politischen Hebel in Bewegung setzen, um die Fachkräftebasis der Zukunft zu sichern. Es muss zum Beispiel attraktiv sein, mehr zu arbeiten und länger im Job zu bleiben.“ Die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten jenseits der EU bleibe natürlich ebenfalls nötig, so Schäfer weiter. Und schließlich müsse der überregulierte deutsche Arbeitsmarkt wieder flexibler werden: „Das gilt für die Zeitarbeit und die befristete Beschäftigung – aber ebenso für das Thema Arbeitszeit an sich. Denn da ist Deutschland noch strenger, als es nach EU-Vorgaben nötig wäre.“
Viel Bewegung
Fast unabhängig von der wirtschaftlichen Lage tut sich bei den Arbeitsagenturen jeden Tag eine ganze Menge. Im Laufe des Jahres 2024 haben sich 6,88 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Und 6,71 Millionen Menschen konnten derweil ihre Arbeitslosigkeit beenden. Wie die Statistik der Bundesagentur für Arbeit weiter ausweist, ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen etwas gestiegen. Im Jahresschnitt 2024 waren rund 972.000 Menschen schon länger als zwölf Monate ohne Job.