Qualifizierung und Weiterbildung

Ungelernt war gestern

Eine Ausbildung ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit. Und wenn sie fehlt? Dann kann man sie nachholen, etwa mit einer Teilqualifizierung.

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„Dieses Jahr wird alles anders“, sagen sich viele. Raus aus alten Mustern, mehr Sport, weniger Handy, gesünder leben – gute Vorsätze gehören zum Jahresbeginn wie Sekt und Käse-Fondue. Doch wie Silvesterraketen verpuffen sie oft im Nichts. Was aber, wenn ein einziger Vorsatz das ganze Leben verändern könnte? 

Für rund 2,86 Millionen junge Menschen zwischen 20  und 34 Jahren in Deutschland können genau das eintreten – wenn sie ihren fehlenden Berufsabschluss nachholen. Fast jeder Fünfte in dieser Altersgruppe hat keine abgeschlossene Ausbildung – das zeigt der Berufsbildungsbericht 2024. Dabei könnte ein Abschluss nicht nur Türen öffnen, sondern auch ein wirksamer Schutzschild gegen Arbeitslosigkeit und finanzielle Unsicherheit sein.

Flexibel lernen und arbeiten

Die gute Nachricht ist: Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine Ausbildung auch später noch berufsbegleitend in Voll- oder Teilzeit zu absolvieren. Schließlich kann man auch auf Umwegen zum Ziel kommen. Eine davon ist die Teilqualifizierung, ein Modell, das insbesondere für un- oder angelernte Arbeitskräfte entwickelt wurde – egal, ob sie arbeitssuchend oder bereits beschäftigt sind. 

Voraussetzung: Sie müssen mindestens 25 Jahre alt sein. „Dabei wird der Lerninhalt eines Ausbildungsberufs in fünf bis acht Module aufgesplittet, die nacheinander absolviert werden können“, erklärt Susanne Eikemeier von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Jede Einheit dauert dabei zwei bis sechs Monate, in denen sowohl praktische als auch theoretische Kenntnisse erworben werden. 

Insgesamt decken die Module 100 Prozent der Ausbildungsinhalte des angestrebten Berufsabschlusses ab. Rechnet man die Zeiten zusammen, wird die gesamte Ausbildung jedoch in zwei Dritteln der üblichen Zeit absolviert. Am Ende eines jeden Moduls wird das erworbene Wissen durch eine Prüfung nachgewiesen und mit einem Zertifikat bestätigt, das auch für sich genommen auf dem Arbeitsmarkt nützlich sein kann. 

Der Vorteil: Bereits nach jedem Modul kann der Beschäftigte in diesen Teilbereichen höher qualifizierte Aufgaben übernehmen als zuvor, er nähert sich Schritt für Schritt seinem Ziel. Das Tempo bestimmt der Teilnehmende. Je nach Lebenssituation kann er zwischen den einzelnen Abschnitten aussetzen, zum Beispiel für eine Babypause oder die Pflege von Angehörigen. Es besteht auch keine Verpflichtung, alle Einheiten zu absolvieren. „Das kann den Druck von Menschen mit schlechter Bildungserfahrung nehmen, die sich scheuen, eine reguläre Ausbildung anzufangen“, so die Expertin.

Über 35 Berufe stehen zur Wahl

Die Teilqualifizierung ist für Beschäftigte wie auch Arbeitsuchende bei Bewilligung kostenfrei. Durch sie entstehende Fahrt-, Unterbringungs- oder Kinderbetreuungskosten können ebenfalls je nach den individuellen Gegebenheiten übernommen werden. 

Wer sich dafür interessiert, kann derzeit aus mehr als 35 Berufen wählen: zum Beispiel Industriemechaniker, Mechatroniker oder Informatiker. Auch wer in der Gummi- und Kunststoffindustrie arbeitet, kann fündig werden. Arnold Falch, Abteilungsleiter und Lehrer an den Beruflichen Schulen Gelnhausen, erläutert am Beispiel des Maschinen- und Anlagenführers für Kunststoff und Kautschuk, wie das in der Praxis umgesetzt wird: „Die Teilqualifizierung muss in Kooperation mit dem Unternehmen entstehen. Der Arbeitnehmende bleibt im Betrieb und schließt dort einen angepassten Ausbildungsvertrag ab.“ Dabei erhält er entweder sein gewohntes Gehalt oder eine Ausbildungsvergütung plus individuell vereinbarte Konditionen.

Mitarbeiter fördern und Fachkräfte binden

Der zeitliche Rahmen ist straff, aber machbar: Die Ausbildung dauert zwölf Monate. Dabei werden alle Lerninhalte des Ausbildungsrahmenplanes abgedeckt. Dafür wird aber auch ein Teil der Freizeit geopfert. „Neben einem berufsschulfreien Tag pro Woche kommen die Teilnehmenden samstags oder abends für sechs bis acht Wochenstunden in die Schule“, erklärt Flach. Sobald alle Module erfolgreich abgeschlossen sind, kann die Zulassung zur Externenprüfung bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) beantragt werden. 

Auch der Weg zum Kunststoff- und Kautschuktechnologen ist möglich – parallel zur Arbeit. Entweder als circa einjährige Weiterqualifikation für Maschinen- und Anlagenführer oder als zweijährige Ausbildung für Personen ohne vorausgegangene Grundqualifikation. „So eine berufsbegleitende Ausbildung ist in Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiges Thema“, betont Flach. Mit diesem Modell können Unternehmen ihre Mitarbeitenden gezielt fördern und gleichzeitig Fachkräfte an sich binden. Und die Beschäftigten profitieren davon, dass sie ihren Abschluss ohne Gehaltseinbußen machen können – ein Gewinn für beide Seiten.

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