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Asche zu Asche

Natürlich vergänglich: Sustainable Manufacturing entwickelt Urnen, die sich selbst zersetzen

von Isabel Link

· Lesezeit 5 Minuten.
Die Firmengründer: Rob Leenen, Finn-Maximilian Hillen, Fynn-Luca Lampe und Jonas Altenburg (von links). Foto: KAUTSCHUK/Daniel Heitmueller

Ganderkesee. Vier von fünf Menschen in Deutschland lassen sich in einer Urne beerdigen. Der Trend zur Feuerbestattung ist ungebrochen – nicht nur, weil sie deutlich günstiger ist als eine Erdbestattung. Die Urne entspricht auch dem Zeitgeist, in dem eine Grabstätte möglichst wenig bis gar keine Pflege benötigen soll. Doch eines sind Urnen bislang nicht: umweltfreundlich. Genau das möchte das junge Unternehmen Sustainable Manufacturing aus Ganderkesee in Nordwestniedersachsen ändern. 

„Die heute überwiegend genutzten Naturstoffurnen bestehen häufig aus einem Biopolymer, das sich im Erdreich nicht vollständig zersetzt. Auch werden weiterhin Urnen aus Metall oder anderen nicht vergänglichen Materialien genutzt“, sagt Finn Hillen, einer der vier Gründer. Das führe dazu, dass Urnen samt Asche der Verstorbenen auch nach Jahrzehnten nicht ins Erdreich übergehen und Friedhöfe nach Ablauf der Grabstelle einen neuen Platz für die Überreste finden müssen. 

Um diesen Schritt künftig überflüssig zu machen, entwickeln Hillen und seine Mitgründer Rob Leenen, Fynn-Luca Lampe und Jonas Altenburg gemeinsam mit ihrem Materiallieferanten einen biozirkulären Verbundstoff, aus dem Urnen gedruckt werden können und der sich im Laufe der Jahre vollständig zersetzt – ähnlich wie ein Holzsarg.

Auch für tierische Begleiter: Geschäftsführer Hillen präsentiert Urnen für Haustiere. Die sind allerdings nicht abbaubar und eher für den Kaminsims gedacht. Foto: KAUTSCHUK/Daniel Heitmueller

Ihr Unternehmen, das seine Wurzeln in einer fixen Idee während der Coronapandemie hat, hat sich bereits in einem ganz anderen Marktbereich einen Namen gemacht. Unter dem Label Recozy bietet es erfolgreich Wohnaccessoires an, die komplett aus recyceltem Kunststoff gefertigt sind. Die Vasen, Leuchten und Hocker in trendigen Farben und Designs sind europaweit im Handel erhältlich, insbesondere über Concept-Stores, Möbelhäuser und bekannte Einrichtungsplattformen wie Westwing

Der Deko- und Einrichtungsbereich bildet klar das Kerngeschäft von Sustainable Manufacturing. „Mit unserer Handelsmarke erwirtschaften wir etwa die Hälfte unseres Umsatzes. Weitere 35 Prozent entfallen auf das White-Label-Geschäft und individuelle Kundenlösungen“, sagt Hillen. Unter White-Label versteht man, dass die Firma Produkte für andere Marken entwickelt, die diese – wie etwa Möbelserien – unter eigenem Namen anbieten. 

Schicht für Schicht: Je nach Größe des Produkts arbeitet der 3D-Drucker (links) wenige Minuten bis mehrere Stunden an einem Stück. Kunterbunt: Der Kunststoff (rechts) ist in nahezu jeder Farbe erhältlich. Fotos: KAUTSCHUK/Daniel Heitmueller

Ein Praktikant bringt die Urne ins Spiel

Doch dabei soll es nicht bleiben: „Der Möbelhandel ist ein stark zyklisches Geschäft. Gerade als junges Unternehmen wünscht man sich eine stabilere Auslastung über das ganze Jahr, nicht nur im Herbst und Winter.“ Deshalb setzt das Unternehmen von Anfang an auf mehrere Standbeine und fertigt beispielsweise auch Prototypen und Kleinserien für die Industrie. 

Die Idee, Urnen ins Portfolio aufzunehmen, kam eher zufällig durch einen Schülerpraktikanten aus einer Bestatterfamilie. „Wir fanden es ökologisch fragwürdig, dass der Großteil aller Menschen in Gefäßen beerdigt wird, die sich nicht vollständig zersetzen“, sagt Hillen. Das Team entwickelte daraufhin erste Designs: modern in der Formsprache, angelehnt an die eigene Wohnkollektion und zunächst noch aus herkömmlichem Kunststoff.

Trendig: Der 3D-Druck ermöglicht es, unterschiedlichste Formen und Farben in Kunststoff zu verwirklichen. Foto: KAUTSCHUK/Daniel Heitmueller

 „Wir wollten prüfen, ob unsere Idee überhaupt auf Interesse stößt.“ Das Ergebnis war überwältigend. Auf kleineren Fachmessen präsentierten die Gründer ihre Urnen und wurden förmlich überrannt. „Viele Bestattungsunternehmer wollten am liebsten sofort bestellen“, erzählt Hillen.

Trotz der großen Nachfrage konnte die neue Urnensparte Circart bisher nicht auf den Markt gebracht werden. Grund dafür ist die Materialentwicklung, die sich als komplexer als erwartet gestaltet. Gemeinsam mit einem niederländischen Partner arbeitet Sustainable Manufacturing an einem innovativen, vollständig abbaubaren Kunststoff, der unter anderem aus Eierschalenresten besteht. Die Basis bildet Polyhydroxyalkanoat (PHA), ein biobasierter Kunststoffersatz, der durch Fermentation von Kohlenhydraten entsteht und sich in der Umwelt rückstandslos abbaut. 

Im Kreislauf der Natur

Erste Tests verliefen vielversprechend, zeigten jedoch noch Schwächen wie Rissbildung und Farbabweichungen, die auf den hohen Kalkanteil zurückzuführen sind. Ab Herbst soll eine eigens angeschaffte Homogenisierungsmaschine für eine gleichmäßigere Materialqualität sorgen und den Weg für die Markteinführung ebnen.

„Asche zu Asche, Staub zu Staub“ – dieser Satz gehört zu jedem christlichen Begräbnis und erinnert daran, dass der menschliche Körper nach dem Tod wieder in seine Elemente zerfällt. Eine Urne, die sich zersetzt, ist daher mehr als ressourcenschonend: Damit wird die letzte Ruhestätte zum Teil des natürlichen Kreislaufs.

 

Sustainable Manufacturing – die Fakten

Das Unternehmen wurde im Jahr 2021 von Finn Hillen, Rob Leenen, Fynn-Luca Lampe und Jonas Altenburg in Ganderkesee, Niedersachsen, gegründet. Aktuell beschäftigt der Betrieb elf Mitarbeitende und fertigt im 3D-Druck-Verfahren Design- und Industrieprodukte aus recycelten Kunststoffen. Unter dem Label „Recozy” vertreibt die Firma europaweit Wohnaccessoires wie Vasen, Leuchten oder Hocker. 

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