Ausbildung

Hey, Alter!

Alte Rechner für junge Leute: 120 gebrauchte Laptops gehen in einer gemeinnützigen Aktion an sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche

von Werner Fricke

· Lesezeit 3 Minuten.
Gute Gebrauchte: Vergölst-Geschäftsführerin Frauke Wieckberg mit Vertretern der Aktion „Hey Alter“. Foto Vergölst GmbH

Schon fast 100 Jahre lang dreht sich bei Vergölst alles um Reifen. Als das Auto noch in den Kinderschuhen steckte, war die heutige Conti-Tochter mit dabei. Und als das Auto nach und nach zu einem Hightech-Computersystem wurde, entwickelte sich Vergölst zu einem Kfz-Dienstleister – mit 450 Standorten, rund 1.900 Mitarbeitern, davon 400 Auszubildende.

Eine davon ist Joselyn Gis. Die 23-Jährige wollte eigentlich Lehrerin werden. „Doch das Studium war nicht mein Ding“, erzählt sie. „Ich wollte was mit Technik machen, weil ich immer gern mit meinem Vater an alten Autos geschraubt habe.“ Da war sie 13. Heute, zehn Jahre später, hat sie die Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin vorzeitig beendet. Joselyn Gis sagt, sie habe Benzin im Blut. Sie fährt mit Leidenschaft ihren Audi A1 Sportback und mag das Leben in der Werkstatt. Dass es sich hierbei angeblich um eine Männerdomäne handelt, ist ihr egal.

Benzin im Blut: Schon als Jungendliche hat Josely Gis gerne an Autos geschraubt. Foto: Domenik Schmid

Benzin im Blut: Schon als Jungendliche hat Josely Gis gerne an Autos geschraubt. Foto: Domenik Schmid

Zum Wegwerfen zu schade

Das Unternehmen setzt auf Ausbildung und sucht hierfür auch die Nähe zu jungen Leuten. „Wir wollen schon frühzeitig den Kontakt zu Schülerinnen und Schülern herstellen“, sagt Vergölst-Geschäftsführerin Frauke Wieckberg. Wie bei der Aktion „Hey, Alter“: 120 gebrauchte Laptops stellt das Unternehmen zur Verfügung, die für sozial schwache Schüler aufgearbeitet werden. „Manche Dinge sind einfach so gut, die verdienen Unterstützung“, so Wieckberg bei der Überreichung in der Niederlassung Hildesheim. „Es ist extrem wichtig, dass Digitalisierung im Schulunterricht und natürlich im Homeschooling ausgebaut wird.“

Die Laptops waren bisher in verschiedenen norddeutschen Vergölst-Niederlassungen im Einsatz. Nun beginnen sie ein zweites Leben. „Die Geräte sind noch voll funktionsfähig“, erklärt die Geschäftsführerin. „Viel zu schade, um sie wegzuwerfen.“ Spezialisten von IT-Firmen löschen noch vorhandene Daten restlos und machen die Geräte wieder fit. Weniger Elektroschrott und dankbare Jugendliche: Für Frauke Wieckberg ist das auch ein kleiner von vielen Schritten zu mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen. „Wir haben als Arbeitgeber eine gesellschaftliche Verantwortung – gegenüber sozial schwachen Kindern und Jugendlichen und auch gegenüber der Umwelt.“ „Hey, Alter“ verbindet auch die Verringerung von Müll, also Umweltschutz, mit sozialem und regionalem Engagement.

Nachhaltig helfen

Alte Rechner für junge Leute – da war Vergölst auch deshalb gern dabei, weil der Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung sehr gut zur Firmenphilosophie passt. Allgemein müsse sich die Wirtschaft umstellen und deutlich sensibler werden, findet Wieckberg. Sie war begeistert, als aus ihrer Belegschaft der Vorschlag kam, das Projekt „Hey, Alter“ zu unterstützen. „Wir wollen helfen, für die Schülerinnen und Schüler beste Voraussetzungen zu schaffen.“

Der Fachkräftemangel, berichtet die Geschäftsführerin, sei eines der drängendsten Probleme, die auch Vergölst immer stärker zu spüren bekommt. Wenn man so will, ist die Zusammenarbeit mit dem „Hey, Alter“-Projekt auch ein Schritt, Kontakt zum Nachwuchs herzustellen. Sie sei eine große Anhängerin davon, sogenannte Onboarding-Prozesse im Unternehmen wo immer möglich umzusetzen.

Denn die Gefahr ist groß, dass Talente schnell bei Wettbewerbern anheuern. Deshalb hat sich das Unternehmen rechtzeitig auch mit Joselyn Gis zusammengesetzt. Sie beginnt schon im Herbst mit der Meisterschule. Vergölst trägt die Kosten und zahlt ihr überdies 70 Prozent des heutigen Gehalts. „Joselyn ist ein Glückstreffer für uns“, sagt der Hildesheimer Betriebsleiter Stefan Schindler. „Sie hat eine unglaubliche Lernbereitschaft und hohe Motivation.“ Für drei Jahre, so die Absprache, hat sie sich auf eine Zusammenarbeit mit Vergölst geeinigt. Wenn sie den Meisterbrief in der Tasche hat, ist für die ehrgeizige junge Frau noch lange nicht Schluss. „Mal sehen, vielleicht mache ich dann für ein oder zwei Jahre noch eine Abendschule. Denn irgendwann könnte ich mir auch vorstellen, Filialleiterin bei Vergölst zu werden.“

Hey, Alter! – die Fakten

Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien mit der Bereitstellung von Laptops zu mehr Chancengleichheit verhelfen – das ist die Idee von „Hey, Alter!“. Unternehmen, Institutionen und private Haushalte spenden Laptops. Ehrenamtliche Helfer machen sie wieder fit, um sie anschließend an Schülerinnen und Schüler zu verschenken. Die Initiative gibt es bundesweit. In Hildesheim wird sie auch vom Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie ADK unterstützt.

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