Chefgespräche

Betriebsklima – eine unsichtbare Dividende

Stadionatmosphäre im Betrieb: Für Wagu Geschäftsführer Tobias Nonnast sind zufriedene Mitarbeiter das Fundament für schwarze Zahlen

von Werner Fricke

· Lesezeit 5 Minuten.
Wichtige Investitionen: Tobias Nonnast zeigt die neue Troester Anlage. Mit seinem Mitarbeiter Alexander Berch tauscht er sich über eine Mischung aus. Berch ist seit 21 Jahren bei der Wagu. Foto: Momentum Highlight

Warstein. Spätsommer am Rande des Sauerlands: blauer Himmel, Sonne, entspannte Stimmung. Nicht nur die Tür, auch das Fenster im Büro von Tobias Nonnast, dem Chef der Wagu Gummitechnik GmbH, ist weit geöffnet. Auf dem Schrank steht ein großes Logo von Hannover 96 aus Hartgummi. Wenn man genauer hinschaut, findet man im Büro noch andere Hinweise auf seine große Liebe zum Fußball. Nonnast nimmt sich ausgiebig Zeit für das Chef­gespräch: Ihm ist wichtig, die Botschaften genau zu erklären. „Wir stehen vor einer neuen Zeit“, sagt er.

Herr Nonnast, was gibt Ihnen mehr zu denken, Ihr Lieblingsverein Hannover 96 oder die wirtschaft­lichen Aussichten?

Nonnast: Der Fußball ist Hobby. Als gebürtiger Hannoveraner bin ich mit Hannover 96 aufgewachsen und hatte sehr viele Jahre eine Dauerkarte – ich bin im Herzen ein 96er. Aber der Beruf ist natürlich viel wichtiger. Und da stehen wir vor sehr großen Herausforderungen.

Was beschäftigt Sie denn besonders?

Das lässt sich nicht auf einen Punkt fokussieren oder in einem Satz zum Ausdruck bringen. Ich weiß nicht, ob Sie dazu die Zeit haben?

Versuchen wir es, wir nehmen uns gern die Zeit.

Wir kommen aus einer wirtschaftlich sehr guten Phase. Das Jahr 2022 war hervorragend, auch das erste Quartal 2023 verlief sehr gut. Doch inzwischen ist der Rückgang deutlich spürbar. Es gibt eine Verunsicherung im Markt, die zu weniger Aufträgen führt. Darauf müssen wir reagieren.

Aber ist das nicht auch Jammern auf hohem Niveau?

Da ist zweifellos etwas dran. Doch der Blick nach vorn zeigt, dass es strukturell viel zu verbessern gibt. Das sind Herausforderungen, die wir intern als Betrieb, aber auch als Gesellschaft bestehen müssen. Nicht zu vergessen: Besonders sind auch Politik und Verwaltung gefordert.

Als Besucher hat man den Eindruck, hier ist die Welt noch in Ordnung. Was gibt es zu verbessern?

In dieser ländlichen Struktur geht ohne Auto nichts. Der ÖPNV ist hier nicht ausreichend ausgestattet. Außerdem ist unser Gewerbegebiet erst seit anderthalb Jahren mit einem Glasfaser­anschluss ausgestattet, dabei sollte dies längst Standard sein. Das Tempo, in dem unsere Wirtschaft den Wandel erlebt, ist bei Politik und Verwaltung längst noch nicht angekommen. Aber auch bei vielen in unserer Gesellschaft scheint es nicht erkannt zu sein.

Spannende Technik: Tobias Nonnast erklärt dem KAUTSCHUK-Reporter Werner Fricke die speziell für Wagu konstruierte Roller-Head-Anlage. Foto: Momentum Highlight

Spannende Technik: Tobias Nonnast erklärt dem KAUTSCHUK-Reporter Werner Fricke die speziell für Wagu konstruierte Roller-Head-Anlage. Foto: Momentum Highlight

Was genau meinen Sie damit?

Ich beobachte, dass vor allem viele junge Leute lieber Geld vom Staat nehmen. Es ist unglaublich schwer, Arbeitskräfte für einen Beruf bei uns in der Industrie zu begeistern. In meinen Augen ist das Fachkräfteproblem eine der größten Herausforderungen der Zukunft.

Wie können Sie als Unternehmen reagieren?

Unser Ziel ist es, ein Klima im Betrieb zu schaffen, durch das Mitarbeiter gern zur Arbeit kommen. Es muss Freude machen, zu arbeiten und ohne Anspannung gehen zu können. Wir aus der Geschäftsführung achten darauf, dass es unseren Mitarbeitern im Job gut geht.

Und wie machen Sie das?

In dem wir es vorleben und sehr viele Gespräche führen. Bei uns arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 28 Nationen! Auch aus der ­Ukraine und aus Russland. Die sind früher oft gemeinsam zum Angeln gegangen. Als der Krieg ausgebrochen war, spürten wir, dass es drohte, Spannungen zu geben. Da haben wir frühzeitig sehr viel mit den Mitarbeitern gesprochen und so dafür gesorgt, dass bei uns im Betrieb kein Platz für politische Positionen ist. Das trifft auch auf rechte Strömungen oder Verschwörungstheorien zu. Da gibt es von uns klare Kante.

„Wir stehen vor Herausforderungen, die wir als Betrieb und Gesellschaft bestehen müssen“

Tobias Nonnast

Das heißt, die kulturellen Herausforderungen sind im Vergleich zu früher immer größer geworden?

Nicht die Herausforderungen sind ­größer geworden, vielmehr ist uns das gute Klima im Vergleich zu früher immer wichtiger geworden. Nur wenn wir ein gutes Umfeld im Betrieb schaffen, arbeiten die Mitarbeiter gern bei uns. Um das Fachkräfteproblem zu lösen, sollten wir noch stärker bereit sein, Vorbehalte abzubauen. Wir starten gerade mit dem Kolpingwerk, der IHK, dem Integrationsamt und weiteren Partnern ein Projekt, um Menschen unterschiedlicher Kulturen und Lebensläufe in die Arbeitswelt zu integrieren. Wir planen Praktika und wollen ihnen zeigen, dass es uns sehr ernst ist. Für uns sind Grundwerte wie Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit entscheidend. Das nötige Fachwissen vermitteln wir ihnen.

Auch dabei sind Sie als Management dann besonders gefordert.

Zweifellos. Wir als Vorgesetzte sind die Lenker, wir müssen Entscheidungen treffen und den Rahmen schaffen. Wir haben uns übrigens schon 2015 bewusst dafür entschieden, dass wir zwar auch gern für Kunden aus der Autozulieferindustrie arbeiten, jedoch unser Hauptaugenmerk auf kleine, mittelständische Betriebe legen wollen. Service, Beratung und langfristige Beziehungen sind uns wichtiger als das schnelle Geschäft. Wir besuchen den Kunden und klären bei ihm vor Ort ab, wenn es ein Problem gibt. Dabei sind wir uns nicht zu schade, auch kleine Chargen zu bedienen.

Wie ist Ihre Vision für das Jahr 2035?

Dann bin ich Rentner, doch bis dahin haben wir uns vorgenommen, diesen Betrieb weiter zu automatisieren. Ich denke, dass unsere Mitarbeiter dann teilweise von kleinen Robotern, den sogenannten Cobots, unterstützt werden. Die ersten Konzepte haben eine Machbarkeitsstudie bereits mit positivem Ergebnis überstanden. Ganz sicher werde ich dieser Branche treu bleiben. Gummi klebt ‒ ich komme davon nicht mehr los.


Wagu Gummitechnik GmbH – die Fakten

Mit rund 120 Mitarbeitenden entwickelt, fertigt und liefert die Wagu Gummitechnik für Kunden aus weltweit 36 Ländern maßgeschneiderte Gummimischungen. Daraus werden zum Beispiel Dichtungssysteme, Walzenbezüge oder Korrosionsschutz sowie Antriebs und Pumpenelemente aus unterschiedlichsten Kautschuk Typen hergestellt.

  • PDF