Chefgespräche

Mit Sportsgeist zum Erfolg

Das Vater-Sohn-Duo Meyer erklärt, wie es seinen Neun-Mann-Betrieb Teguma zum Aufschwung führte – und welche Rolle das Rennradfahren dabei spielt

von Werner Fricke

· Lesezeit 5 Minuten.
Am Extruder: Ronald und Bernd Meyer (von links). Foto: Peer Hilbert

Halberstadt. Sachsen-Anhalt ist das Land der Frühaufsteher. Für Ronald Meyer ist dieser Satz mehr als der bekannte Werbeslogan des Bundeslands. Wenn er morgens um 5:30 Uhr mit seinem Labrador über das Firmengelände der Teguma GmbH in der Kreisstadt am Ostharz läuft, hat er die besten Ideen. Im Chefgespräch berichten Vater Bernd (79) und Sohn Ronald (53), wie sie seit Jahrzehnten mit ihrem Neun-Mitarbeiter-­Betrieb sehr erfolgreich in einer Nische arbeiten.

Herr Meyer, Ihr Sohn Ronald war zu DDR-Zeiten ein sehr talentierter Radrennfahrer und trainierte mit dem späteren Tour-de-France- und Olympia-Sieger Jan Ullrich. Haben Sie es je bereut, dass er nicht Profi geworden ist?

Bernd Meyer: Nein, auf keinen Fall. Meine Frau und ich haben ihm immer die Entscheidung überlassen, welchen Weg er gehen will. Wir sind dennoch sehr stolz auf ihn.

Ronald Meyer: Natürlich habe ich früher voller Begeisterung Jan Ullrich die Daumen gedrückt. Mir war das Studium allerdings wichtiger als eine Profi-Karriere. Und ehrlich gesagt: Ich vermisse nichts, mit meinem Lebenslauf bin ich auch ohne internationale Titel sehr zufrieden. Für mich war immer klar, dass ich in das Unternehmen meines Vaters einsteigen werde.

Immerhin haben Sie ja viel Schweiß und Zeit in den Sport investiert. Haben Sie dennoch eine Rendite eingefahren?

Ronald Meyer: Finanziell sicherlich nicht. Aber ich habe in dieser Zeit viel für mein späteres Leben gelernt. Das ist mehr wert als Geld. Davon profitiere ich noch heute.

Nehmen Sie uns mit – was ist es?

Ronald Meyer: Straßenrennen ist ein Mannschaftssport, man lernt sehr genau, was es bedeutet, sich auf das Team verlassen zu können. Ausdauer, langer Atem, es geht immer weiter – ich habe wichtige Erfahrungen gemacht, nie zu früh aufzugeben. Und auch, dass Niederlagen einen stärker machen.

Wie nutzen Sie das heute?

Ronald Meyer: Wir sind bei Teguma ein kleines Team von nur neun Mitarbeitern. Für mich ist das Wir-Gefühl sehr wichtig. Das versuche ich jeden Tag zu leben und zu vermitteln.

Mit Erfolg, andere Firmen klagen über schwierige Zeiten. Teguma dagegen wächst, der Umsatz liegt bei 1,5 Millionen Euro. Was ist das Erfolgsrezept?

Ronald Meyer: Unser wichtigster Partner ist die Bahn- und Schienenfahrzeugindustrie, in Deutschland und zunehmend auch im Ausland. Unsere Produkte werden als Übergänge im Waggonbau eingesetzt. Oder auch als Besen- oder Bürstenschläuche im Gleisbau. Das ist eine kleine Nische, in der wir seit Jahrzehnten einen sehr guten Ruf haben.

Mitarbeiter Christian Ruhe schneidet Gummi­platten. Diese werden später für Bahnübergänge genutzt. Foto: Peer Hilbert

Mitarbeiter Christian Ruhe schneidet Gummi­platten. Diese werden später für Bahnübergänge genutzt. Foto: Peer Hilbert

Bernd Meyer: Dazu muss man in die Wendezeit zurückgehen. Ich war damals Betriebsleiter. Als die Mauer fiel, bedeutete das das Aus für den Volkseigenen Betrieb (VEB) Teguma. Wir verloren über Nacht alle Kunden. Unsere Absatzmärkte lagen fast ausschließlich im sozialistischen Ausland. 235 Mitarbeiter mussten entlassen oder in den Ruhestand geschickt werden. Als ich 1993 den Betrieb übernahm, haben mir die Firma Veritas in Gelnhausen mit Maschinen und der ADK beratend sehr geholfen. Herr Krebaum, der ehemalige Veritas- und ADK-Chef, war persönlich hier. Da habe ich viel gelernt.

Was waren Ihre wichtigsten Erkenntnisse?

Bernd Meyer: Pünktlichkeit und Qualität gehörten dazu. Wichtig war uns aber auch immer: Wir haben keinen Auftrag angenommen, ohne damit Geld zu verdienen. Als Ronald zu uns kam, hat uns sein BWL-Studium sehr geholfen.

Ronald Meyer: Ich hatte zwar das kaufmännische Wissen im Studium gelernt. Genauso wertvoll war allerdings, dass mir mein Vater immer mit auf den Weg gegeben hat, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben. Wachsen ja, aber nicht um jeden Preis. Zuerst mussten wir Geld verdienen und dann haben wir es in den Betrieb investiert. So ist es uns gelungen, ohne Fremdfinanzierungen zu wachsen.

Bis 2030 will die Bundesregierung doppelt so viele Passagiere auf die Schiene bringen. Das kommt dem Klima und dem steigenden Mobilitätsbedarf zugute.

Ronald Meyer: Davon profitiert die gesamte deutsche Bahnindustrie. Deshalb sind wir auch sehr zuversichtlich. Die Mobilitätswende ist auch für uns ein wichtiger Schub.

Auch hier wird noch per Hand gearbeitet: Heiko Eckelmann bearbeitet Gummiplatten. Foto: Peer Hilbert

Auch hier wird noch per Hand gearbeitet: Heiko Eckelmann bearbeitet Gummiplatten. Foto: Peer Hilbert

Vor Kurzem haben Sie einen kleinen Betrieb bei Koblenz übernommen. Was ist Ihr strategisches Ziel?

Ronald Meyer: Wir haben ein zweites Standbein gesucht. Den Betrieb kannten wir schon eine ganze Weile. Er hat Kunden in der Elektro-Branche, die konnten wir zusammen mit den Maschinen übernehmen. Das eröffnet uns nun zusätzliche Märkte.

Hilft es eigentlich, ein Familienunternehmen zu sein? Denen sagt man einen verantwortungsbewussten Führungsstil und ein gutes Betriebsklima nach.

Ronald Meyer: Der Team-Gedanke hat unser Unternehmen schon immer stark geprägt. Hier ist niemand nur eine Nummer. Wir wollen alle mitgestalten. Natürlich, am Ende muss ich entscheiden, aber mitsprechen und Vorschläge einbringen – das darf bei uns jeder.

Wie stark beherrscht die Arbeit ihr Familienleben, ihren privaten Alltag? Sie wohnen mit Ihrer Familie in einem Haus direkt auf dem Firmengelände.

Bernd Meyer: Ja, und unsere Tochter wohnt auch noch in einer Etage in unserem Haus. Die Firma war für unser Familienleben nie störend. Wir waren immer nur so lange im Betrieb, wie es nötig war.

Ronald Meyer: Morgens um halb sechs bin ich als Erster da und um sechs fangen wir an zu arbeiten. Was wir dann innerhalb von neun Stunden nicht schaffen, erledigen wir am nächsten Tag. Wir können gut abschalten und Beruf und Familie trennen.

Es bleibt also noch genügend Zeit zum Radfahren?

Ronald Meyer: Ja, ich fahre nach wie vor sehr gern. Meistens 50 bis 70 Kilometer, um den Kopf frei zu bekommen.

Teguma die Fakten

Gummi hat in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) eine lange Tradition. Schon 1854 hat der Fabrikant Wilhelm Kux begonnen, mit Kautschuk zu experimentieren. Anfangs stellte er Regenjacken, wasserbeständige Schuhe und Postsäcke her. Heute ist auf dem Gelände der ehemaligen Weberei und Gummiwarenfabrik Wilh. Kux Nachfolger die Teguma GmbH ansässig. Sie wurde nach dem Mauerfall vom früheren Betriebsleiter der VEB Teguma, Bernd Meyer, gegründet. Die Firma ist spezialisiert auf Gummierzeugnisse für deutsche und internationale Kunden aus der Bahnindustrie.

  • PDF