Chefgespräche

„Wir leben in einem extremen Umfeld“

Teamarbeit als Treiber für Innovation: Ein Gespräch mit Dr. Sven Vogt über den Erfolgsleitfaden der KKT-Gruppe

von Werner Fricke

· Lesezeit 5 Minuten.
KKT-Chef und ADK-Vorsitzender: Dr. Sven Vogt ist besorgt angesichts der Überregulierung in Deutschland. Foto: KAUTSCHUK/Chris Gossmann

Osterode am Harz. Die deutsche Wirtschaft hat ein turbulentes Jahr hinter sich und mit ihr die Kautschukindustrie. Wie geht es den Unternehmen? Im Chef-Interview sprechen wir mit Dr. Sven Vogt. Er ist Vorsitzender des Arbeitgeberverbands der Deutschen Kautschukindustrie ADK und einer von drei Gesellschaftern des Gummi- und Silikonspezialisten KKT mit Sitz im niedersächsischen Osterode am Harz.

Herr Vogt, Sie wirken wie immer entspannt und guter Dinge. Wie geht es Ihnen?

Vogt: Sehr gut, ich komme gerade aus dem Urlaub. Und warum sollte ich zerknirscht und missmutig durch die Welt laufen?

Aktuell gibt es viele Gründe. Die Welt ist kompliziert geworden, und unsere Wirtschaft steht vor sehr großen Herausforderungen. Wie lief denn das letzte Jahr?

Vogt: Privat und für die KKT-Gruppe bin ich sehr zufrieden. Für unsere Branche und die große weite Welt da draußen sehe ich das deutlich düsterer.

Trotz der globalen Turbulenzen ist Ihre Firmengruppe auf sechs Gesellschaften an fünf Standorten mit insgesamt 800 Mitarbeitenden gewachsen und schreibt schwarze Zahlen. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Vogt: Allgemein lässt sich sagen: Wir bekommen jetzt die Bestätigung dafür, dass der Weg, den wir vor Jahren eingeschlagen haben, in die richtige Richtung führt. Was meine ich damit? Wir haben schon sehr früh die Strategie ausgegeben, dass unsere Mitarbeiter die mit Abstand größte Aufmerksamkeit verdienen. Seit mehr als 20 Jahren haben wir eine sehr hohe Ausbildungsquote, ohne dass wir auf die Erfahrung der langjährigen Fachkräfte verzichtet haben. Heute sind wir ein relativ junges Team, in dem ich mich mit Anfang 50 zu den alten Hasen zähle. Ich spüre innerhalb unserer Belegschaft eine riesige Motivation. Klingt wie eine Floskel, ist aber die Wahrheit.

Hightech: Mitarbeiter Nico Werner trainiert die 3-D-Brille bei der Entformung eines Kunststoffartikels. Foto: KAUTSCHUK/Chris Gossmann

Hightech: Mitarbeiter Nico Werner trainiert die 3-D-Brille bei der Entformung eines Kunststoffartikels. Foto: KAUTSCHUK/Chris Gossmann

Sie sagen, Innovation spielt bei KKT eine große Rolle. Können Sie mal ein Beispiel nennen?

Vogt: Da gibt es viele Beispiele. Jeder in der Arbeitswelt kennt inzwischen die Datenbrillen, die sogenannten Augmented-Reality- Brillen. Die Dinger sind nicht unbedingt chic, aber randvoll mit Hightech und bieten unglaublich viele Anwendungsbereiche. In unseren Teamgesprächen und Workshops entstand die Idee, die Potenziale dieser 3-D-Brillen im Berufsalltag einzusetzen. Wir zeigen und erklären damit unseren internationalen Standorten und ausländischen Fachkräften unsere Prozesse. Videos, Erklärtexte, Datentransport – die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Es findet ein Transfer von Wissen statt, das früher in den Köpfen der Erfahrenen steckte. Und auch KI hilft uns da gewaltig.

Das ist in der Großindustrie üblich, aber für einen relativ kleinen Familienbetrieb ungewöhnlich. Woher stammt der Impuls?

Vogt: Eindeutig aus dem Kreis unserer Mitarbeiter. Und auch, dass wir dieses Wissen im nächsten Schritt für die Weiterentwicklung unserer Produkte, zum Beispiel unserer Atemschutzmasken, einsetzen. Gemeinsam mit der TU Claustal und einem Pflegedienstleister sind wir auf einem sehr guten Weg, um etwa den Sauerstoffgehalt innerhalb eines Raumes zu messen. Das kann für die Feuerwehr im Einsatz und auch für die Medizintechnik extrem wertvoll sein. Damit sind wir am Ende auch weiterhin ein wichtiger Partner für unsere Kunden.

„Erweiterte Realität“: Der Blick durch die Datenbrille eröffnet völlig neue Arbeitsmöglichkeiten. Foto: KAUTSCHUK/Chris Gossmann

„Erweiterte Realität“: Der Blick durch die Datenbrille eröffnet völlig neue Arbeitsmöglichkeiten. Foto: KAUTSCHUK/Chris Gossmann

Wie gehen Sie bei der Entwicklung von Innovationen vor?

Vogt: Entscheidend ist immer die Frage nach dem Warum. Früher haben wir innerhalb der Teamgespräche nach Lösungen gesucht, um unsere Prozesse zu verbessern. Das geschah meistens innerhalb der jeweiligen Abteilungen. Die Mitarbeiter aus der Fertigung waren unter sich oder auch die aus dem Vertrieb oder der Verwaltung. Heute treffen wir uns in gemischten Teams in lockerer Atmosphäre und überlegen alle gemeinsam, was könnte für unseren Kunden eine Verbesserung bedeuten? Das ist oft holprig, manchmal total verrückt und etwas chaotisch, aber am Ende haben wir eine überraschende Wirkung. Ich sage immer: Die Mischung macht’s.

„Unsere Mitarbeiter verdienen die größte Aufmerksamkeit“ - Dr. Sven Vogt

Wie zeigt sich das in der Praxis?

Vogt: Kunden, Marktbegleiter oder auch Hochschulen kommen auf uns zu. Wir bilden Netzwerke. So schaffen es alle, eine gewachsene Betriebsblindheit abzulegen. Dieses neue Denken trägt Früchte. Zwar hatte uns Corona kurz ausgebremst, doch inzwischen spüren wir die Ergebnisse auf vielen Ebenen. Die Kunden erkennen, dass wir für sie ein innovativer Partner sind. Und unsere Mitarbeiter fühlen, dass ihre Arbeitsplätze sicher sind und dass man hier nicht nur Geld verdient, sondern an sinnstiftenden Projekten arbeitet. Es gibt einige aus dem Team, die sich mal in einem anderen Betrieb ausprobiert haben, dann aber zu uns zurückgekommen sind. Für mich ist es eine unglaubliche Freude zu erleben, wie sich unsere Angestellten mit KKT identifizieren. Wir hatten an einigen Standorten über die Weihnachtsfeiertage Hochwassergefahr. Mehrmals täglich waren unsere Leute vor Ort – das war extrem emotional für mich und erfüllt mich mit großer Dankbarkeit.

Die Verbundenheit der Mitarbeiter ist ein großes Plus für einen Familienbetrieb. Doch das unsichere Umfeld macht vielen zurzeit große Sorgen. Geht es Ihnen auch so?

Vogt: Ja, auf jeden Fall. Wir leben in einem extremen Umfeld. Ich möchte nicht auf unsere Regierung oder die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs eingehen. Wir alle erleben, dass der Transformationsdruck zu einem großen Problem wird. Die Überregulierung ist für unsere Branchen-Betriebe zu einem großen Wettbewerbsnachteil geworden. Wir werden abgehängt, wenn wir Rohstoffe bei uns in Deutschland verbieten, die international üblich sind. Jeder von uns will Umweltschutz und etwas gegen die Klimakrise tun – das steht außer Frage. Nur ein Beispiel – ich nenne es das Entwaldungsgesetz. Wenn ich sehe, welche notwendigen Dokumentationen in Zukunft zu erstellen sind, um Lieferketten im Hinblick auf „Entwaldung“ sauber zu halten, dann übersteigt das jedes Maß.

KKT Frölich – die Fakten

Die KKT Frölich Kautschuk-Kunststoff-Technik GmbH ist ein Tochterunternehmen der KKT Holding mit Hauptsitz in Osterode am Harz. Die Firmengruppe ist seit über 80 Jahren am Markt und besteht nunmehr aus sechs Gesellschaften an fünf Standorten mit rund 800 Beschäftigten. Zu den Schwerpunkten der KKT gehört die Herstellung von komplexen Gummi- und Silikonteilen für Branchen wie Automobil, Medizin, Elektrotechnik, Luft- und Raumfahrt.

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