Chefgespräche

Deutschland muss Spitze sein

Die deutsche Wirtschaft schwächelt, die Bürokratie wächst und die Konkurrenz schläft nicht: Georg zur Nedden, Geschäftsführer von Westland, fordert Reformen

von Werner Fricke

· Lesezeit 4 Minuten.
Familiensache: Georg zur Nedden leitet das Unternehmen Westland bereits in dritter Generation. Foto: Lichtgestalt by Schreer

Melle. Georg zur Nedden ist ein ausgesprochener Optimist. Er glaubt fest an die Zukunft und daran, dass die aktuellen Herausforderungen bewältigt werden können. Nur bei einem Thema ist er ratlos: der Bürokratie. „Sie lähmt unser Land“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Westland Gummiwerke. Im Chefgespräch erklärt der passionierte Jäger und Waldbesitzer, warum es wichtig ist, den Paragrafendschungel zu durchforsten.

Herr zur Nedden, Kompliment für den guten Geschmack in Ihrem Büro – sehr modern mit einem Hauch von Tradition.

Zur Nedden: Ja, vielen Dank. Ich fühle mich hier sehr wohl. Ab und zu muss auch mal frischer Wind durchs Büro wehen.

Sind Sie ein Mensch, der gut loslassen und sich von alten Gewohnheiten trennen kann?

Zur Nedden: Manchmal ist es wichtig, alte Zöpfe abzuschneiden. Aber nicht um jeden Preis, sondern mit Augenmaß.

In diesen schwierigen Zeiten muss jede Entscheidung wohlüberlegt sein. Wie läuft es denn momentan im Betrieb?

Zur Nedden: Uns geht es wie allen anderen auch – die Zeiten sind sehr herausfordernd. Auch wir spüren deutliche Rückgänge, weil die Investitionsschwäche zum Beispiel im Maschinenbau voll durchschlägt. In der Finanzkrise hatten wir auch einen ähnlichen Rückgang, aber danach ging es schnell wieder bergauf. Das sehe ich in dieser Krise leider nicht.

Modernes Büro mit historischem Charme: Der Westland-Gesellschafter im Chefgespräch mit KAUTSCHUK-Reporter Werner Fricke. Foto: Lichtgestalt by Schreer

Modernes Büro mit historischem Charme: Der Westland-Gesellschafter im Chefgespräch mit KAUTSCHUK-Reporter Werner Fricke. Foto: Lichtgestalt by Schreer

Wie reagiert man als Unternehmen darauf?

Zur Nedden: Zunächst natürlich mit Kurzarbeit, wir verlängern nur dort befristete Verträge, wo es Sinn macht. Und wenn Ältere ausscheiden, werden sie nicht sofort ersetzt. Wir bauen aber weiterhin sehr stark auf unseren Nachwuchs. In diesem Jahr haben wir neun Auszubildende und dual Studierende eingestellt. Insgesamt bilden wir 23 Nachwuchskräfte aus. Die demografische Entwicklung schwebt über allem, deshalb müssen wir ausbilden.

Jung und gut ausgebildet ist das eine. Was tun Sie gegen einen möglichen Know-how-Verlust erfahrener Mitarbeiter?

Zur Nedden: Wie heißt es so schön in der Gummiindustrie: Die Mischung macht’s. Das Wissen der erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist enorm wertvoll. Auf der anderen Seite sind die Neugier der jungen Leute, ihr Tempo und ihre Lust auf Neues genauso wertvoll. Als Waldbesitzer sage ich immer: Es ist notwendig, auszulichten, damit sich auch die jungen Pflanzen und Bäume entwickeln können.

Das klingt nach einer langfristigen Strategie. Wie gelingt es Ihnen, die Erwartungen des Marktes zu erfüllen und gegebenenfalls neue Trends zu setzen?

Zur Nedden: Es ist eine gute Kombination aus allem: Die Impulse kommen von unseren Vertriebsingenieuren. Sie sind es, die den Kontakt zu unseren Kunden halten. Daraus ergibt sich ein ständiger Dialog mit unserer Entwicklungsabteilung, der Konstruktion und natürlich der Produktion. Klar, es ist auch wichtig, neue Trends zu setzen. Green Compounds ist das Stichwort, also umweltfreundliche Materialien, die mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck hergestellt werden. Aber der Kunde muss diese Produkte auch wirklich brauchen und bereit sein, dafür zu bezahlen. Und da hapert es bei uns am Standort Deutschland.

Was wollen Sie damit sagen?

Zur Nedden: Unsere Wirtschaft kommt nicht vom Fleck. Sie leidet unter der Wachstumsflaute und den Schwächen des Standorts Deutschland. Hierzulande läuft etwas gewaltig schief. Wir Unternehmen haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder bewiesen, dass wir Herausforderungen meistern können. Aber wir haben Wachstumsbremsen, die andere lösen müssen.

Damit sind wir bei der Politik. Wo ist sie besonders gefordert?

Zur Nedden: Die Bürokratie lähmt unser Land. Berichtspflichten, Anträge, Genehmigungsverfahren machen uns zu schaffen, weil sie viel Geld kosten und Gewinneinbußen verursachen. Das wiederum führt dazu, dass notwendige Investitionen nicht getätigt werden können und letztlich die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Beim Thema Bürokratie kann ich nur den Kopf schütteln. Seit 30 Jahren wird uns versprochen, dass sie abgebaut wird. Das Gegenteil ist der Fall. Wir bekommen den Ballast einfach nicht mehr abgeworfen, weil niemand entscheiden will.

Bauteile für Drehkolbenpumpen: Sie fördern Flüssigkeiten durch Rotation. Foto: Michael Bahlo

Bauteile für Drehkolbenpumpen: Sie fördern Flüssigkeiten durch Rotation. Foto: Michael Bahlo

Haben Sie ein konkretes Beispiel parat?

Zur Nedden: Davon gibt es viele. Warum muss sich unsere Fuhrparkleiterin einmal im Jahr von unseren Dienstwagenfahrern den Führerschein zeigen lassen und dies dokumentieren? Kann der Staat dafür nicht eine Online-Plattform einrichten?

Was muss aus Ihrer Sicht getan werden?

Zur Nedden: Auch hier ist eine Durchforstung dringend notwendig. Ich hätte eine einfache Lösung: Fünf Jahre keine neuen Verordnungen schaffen und alte Verordnungen entschlacken.

Viele beklagen, dass Deutschland im Wettbewerb nur noch Mittelmaß ist und technologisch ins Hintertreffen gerät. Auch die Steuerpolitik bekommt schlechte Noten.

Zur Nedden: Das ist dramatisch. Nun könnte man vorschnell sagen: Wir müssen nicht immer an der Spitze stehen. Aber wir müssen, denn von der Wettbewerbsfähigkeit hängen Investitionsentscheidungen und Arbeitsplätze ab. Also auch Einkommen und Steuereinnahmen – kurzum: letztlich die Zukunft unseres Landes. Das Geschäftsmodell Deutschland steht auf dem Prüfstand. Die Stärkung unseres Standorts ist das Gebot der Stunde. Ich nenne da niedrige Energiekosten, attraktivere Investitionsbedingungen und den schnelleren Ausbau der Infrastruktur. Es ist höchste Zeit, dafür die Weichen zu stellen.

Westland Gummiwerke – die Fakten

Westland entwickelt seit über 100 Jahren funktionale Kautschukmischungen und ist spezialisiert auf Gummierungen für Druck- und Industriewalzen sowie Elastomerformteile. Die Unternehmensgruppe beschäftigt rund 750 Mitarbeitende und verfügt über 14 Produktionsstandorte in Europa, Asien und den USA. Der Stammsitz befindet sich im niedersächsischen Melle.

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