Unternehmensreportagen

Innovationskraft für lokales Wachstum

Wie ein Pirelli-Werk dank nachhaltigem Wachstum eine ganze Region beflügelt und die Pneus für Elektroautos und Plug-in-Hybride optimiert

von Uwe Rempe

· Lesezeit 4 Minuten.
Innovationen und Transformationsprozesse sind der Schlüssel für zukünftiges Wachstum: Wie es vorwärtsgehen kann, zeigt das Pirelli-Werk in Breuberg. Foto: Pirelli

Breuberg. Gummiverarbeitung hat in der Odenwaldstadt Tradition, seit vielen Jahrzehnten. Deshalb hat die schmucke Stadt mit ihren circa 7.600 Einwohnern die meisten Industriearbeitsplätze im Odenwaldkreis, auch dank des großen Standorts des Unternehmens Pirelli. Mit rund 2.500 Männern und Frauen, darunter 250 Ingenieuren in Forschung und Entwicklung, ist der Premium-Reifenhersteller der größte Arbeitgeber der Region. Und ein sehr innovativer sowie stark der Nachhaltigkeit verpflichteter Arbeitgeber dazu.

Neben den vielen direkten Arbeitsplätzen sorgt das Großunternehmen auch indirekt für Jobs: etwa in Werkzeug- und Fertigungsfirmen, die für Pirelli arbeiten und die Vorteile der Local-to-Local-Produktion nutzen – zum Beispiel größere Nachhaltigkeit durch kurze Wege. Oder bei den verschiedensten Dienstleistern, die sich um das Funktionieren des Alltags am Standort kümmern.

Innovation als Zugpferd

„Pirelli ist ein sehr wichtiger Wirtschaftsmotor für den Odenwald“, betont Wolfgang Meier, Vorsitzender der Geschäftsführung von Pirelli Deutschland. Man biete attraktive Arbeitsplätze, stärke die lokale Wirtschaft, bringe Innovation und hohe Steuereinnahmen in die Region. „Das und die wertschätzende Unternehmenskultur tragen dazu bei, Menschen an ihre Heimat zu binden und die Lebensqualität vor Ort zu steigern“, sagt der gebürtige Aschaffenburger. Bei den Beschäftigten in den Werkhallen des Reifenspezialisten herrscht von Haus aus ein kollegialer Umgangston, Respekt vor dem anderen und dessen Leistung. Ohnehin sind die Odenwälder freundliche Menschen.  

Pirelli-Werk: Hier am Standort Breuberg im hessischen Odenwald. Foto:Pirelli

Pirelli-Werk: Hier am Standort Breuberg im hessischen Odenwald. Foto:Pirelli

Nachwuchssorgen hat Pirelli kaum. Anfang September haben wieder 9 Frauen und 26 Männer ihre Ausbildung im Werk begonnen. In acht Ausbildungsberufen und sechs dualen Studiengängen, sowohl im technischen als auch im kaufmännischen Bereich. Pirelli wartet nicht, dass Interessenten am Werktor klingeln. Immer wieder gehen Ausbilder in Schulen und Hochschulen, beteiligen sich an regionalen Ausbildungsinitiativen. Eine exzellente Ausbildung ist garantiert: Etwa am hochmodernen Maschinensimulator im Virtual Lab des Werks in Breuberg können die Azubis praxisnah Erfahrung sammeln. Überdies sind duale Ausbildungsprogramme, kombiniert mit internationalen Karrierechancen und regelmäßigen Seminaren am Firmensitz in Mailand Teil des breiten Lehrangebots.

Beim Gang über das weitläufige Werkgelände ist er immer zu spüren, der Stolz der Mitarbeiter, ausgerechnet hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen, hier ihren Teil zum Erfolg des großen Ganzen beizutragen. Und erfolgreich ist Pirelli. So verzeichnete der italienische Konzern auch in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 Wachstum. Die Umsätze kletterten auf 5,16 Milliarden Euro, das ist ein Plus von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch der Nettogewinn stieg auf 411 Millionen Euro, das sind 14,4 Prozent mehr als in den ersten neun Monaten vorigen Jahres. Geld, das Pirelli in umfassende Energieeffizienzprogramme in Breuberg und allen anderen Werken ausgibt, um das Ziel zu erreichen, bis 2030 weltweit CO2-neutral zu produzieren.

Die Produktionskapazität der 18 Pirelli-Werke in zwölf Ländern lag im Jahr 2022 bei 74 Millionen Pkw-Reifen. Foto: Pirelli

Die Produktionskapazität der 18 Pirelli-Werke in zwölf Ländern lag im Jahr 2022 bei 74 Millionen Pkw-Reifen. Foto: Pirelli

Auch die ständige Innovation im Reifenkonzern trägt Früchte: Allein in den ersten neun Monaten 2023 hat Pirelli rund 260 neue Zulassungen (Typengenehmigungen, in der Fachsprache Homologationen) von den wichtigsten Prestige- und Premium-Automobilherstellern erhalten. Und im E-Auto-Bereich steht Pirelli mit rund 470 Typengenehmigungen global weit vorn. Inzwischen liegt der Marktanteil in der Erstausrüstung von elektrisch betriebenen Prestige- und Premiumfahrzeugen 1,5-mal höher als der von Verbrennern im gleichen Segment. Pirelli-Ingenieure haben zudem, auch in Breuberg, eine Technologie entwickelt, mit der die Reifen perfekt auf die Anforderungen moderner Elektroautos und Plug-in-Hybride der Premium- und Prestige-Segmente zugeschnitten werden, um deren Stärken zu optimieren.

Die umwelt im Blick

Denn Elektroautos brauchen andere Reifen als Verbrenner, weil sie mehr wiegen und über ein erhöhtes Drehmoment verfügen. Das macht die Reifenherstellung sehr anspruchsvoll. Zudem werden die Elektro-Reifen so entwickelt, dass statt des ausbleibenden Motorenlärms die Abrollgeräusche der Lauffläche auf die Fahrzeuge aufmerksam machen. Pirelli hat neuerdings auch Reifen eingeführt, die zu mindestens 50 Prozent aus bio-basierten und recycelten Materialien bestehen. Diese Pneus, natürlich nicht schlechter als die traditionellen, sind ein Beitrag zum nachhaltigen Umbau des Unternehmens. Das unterstreicht das Engagement von Pirelli für die Umwelt, ohne das hohe Sicherheitsniveau eines jeden Reifens zu beeinträchtigen.

Kein Wunder also, dass Pirelli zum fünften Mal in Folge von der internationalen gemeinnützigen Organisation CDP (Carbon Disclosure Project) in die Liste der Unternehmen aufgenommen wurde, die am stärksten auf den Klimawandel achten.

Pirelli Deutschland die Fakten

Pirelli ist einer der weltweit führenden Reifenhersteller für Pkws, vor allem im Premiumsegment. Am Standort Breuberg (Odenwald) werden neben Pkw- auch Motorradreifen hergestellt. Gegründet 1872 in Mailand, Italien, ist der Reifenkonzern aktuell in über 160 Ländern der Welt mit seinen Produkten präsent und fertigt an 18 Produktions­standorten in zwölf Ländern. Die Produktionskapazität beträgt 74 Millionen Pkw-Reifen (2022). Pirelli beschäftigt in Breuberg rund 2.500 Mitarbeiter, die Vertriebszentrale in München zählt rund 500 Beschäftigte.

  • PDF