Kautschuk-Konjunktur

„Fünf nach zwölf”

Für viele Kautschukbetriebe war 2024 ein Déjà-vu: schwache Inlandsnachfrage, steigende Standortkosten und schwindende Wettbewerbsfähigkeit. Auch der Start ins neue Jahr fiel ernüchternd aus

von Roman Winnicki

· Lesezeit 3 Minuten.
Ertragslage angespannt: Fast jeder zweite Kautschuk-Betrieb spürt die Krise deutlich – viele kämpfen um die schwarze Null. Foto: SGr -stock.adobe.com

Im Rückwärtsgang

Die Luft für Unternehmen und Beschäftigte ist 2024 spürbar dünner geworden – das zeigt der aktuelle Konjunkturbericht des Wirtschaftsverbands der deutschen Kautschukindustrie (wdk). Der Umsatz fiel um 1 Prozent, Absatz und Produktion um jeweils rund 3 beziehungsweise 4 Prozent. Besonders gravierend: Die Inlandsnachfrage, für drei Viertel der Firmen das Kerngeschäft, brach um 3,3 Prozent ein. 

Auch personell schrumpfte die Branche: 63.000 Beschäftigte bedeuten ein Minus von 4,4 Prozent. Gleichzeitig sind die Kosten für Gummiprodukte made in Germany deutlich gestiegen – getrieben von teurer Energie, höheren Löhnen, komplexen Lieferketten und zunehmender Bürokratie. Unterm Strich legten die finanziellen Belastungen um fast ein Drittel zu, so der wdk. Die technologischen Stärken der deutschen Hersteller reichten längst nicht mehr aus, um die wachsenden Standortnachteile im globalen Wettbewerb auszugleichen.

Abhängigkeit mit Risiko

Für viele Kautschukbetriebe ist die Autoindustrie das wichtigste Standbein: Fast 50 Prozent ihres Umsatzes entfallen auf diesen Bereich. Doch gerade hier bricht vieles weg. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland nur noch rund 4,1 Millionen Pkws gebaut, so wenige wie zuletzt Mitte der 1980er Jahre. Für die Zulieferer bedeutet das: weniger Aufträge, kleinere Stückzahlen, verzögerte oder sogar ganz gestrichene Projekte. Der Kautschukverbrauch sank im vergangenen Jahr branchenweit um knapp 5 Prozent und die Hersteller technischer Gummiprodukte waren nicht einmal zu 74 Prozent ausgelastet.

In der Folge stufen rund vier von zehn Betrieben ihre Ertragslage als angespannt ein. 20 Prozent erwägen sogar, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Laut wdk sind auch Eigentümerwechsel bei traditionsreichen Familienunternehmen sowie Insolvenzen keine Ausnahme mehr.

Ausland zieht Investitionen an

Trotz der Flaute investiert die Kautschukbranche weiterhin – aber mit klarem Fokus: Im Inland gaben die Unternehmen 2024 rund 430 Millionen Euro aus, um ihre Prozesse effizienter zu machen; ins Ausland flossen 310 Millionen Euro, jedoch mit dem Ziel, Kapazitäten zu erweitern. Insgesamt wurden rund 6 Prozent des Branchenumsatzes in Forschung und Entwicklung investiert – ein im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoher Wert. 

Auch künstliche Intelligenz wird immer wichtiger: 37 Prozent der Unternehmen planen den Einsatz, 26 Prozent befinden sich mitten in der Umsetzung. 8 Prozent setzen KI bereits ein – meist im Vertrieb, im Einkauf oder in der Produktion. Und 29 Prozent haben das Thema bislang nicht auf der Agenda. Der Wille zur Modernisierung ist da. Doch fehlendes Personal, knappe Mittel und unsichere Rahmenbedingungen bremsen viele Vorhaben aus. 

Vorwärts geht es nur mit Rückenwind

Ein zarter Frühjahrsimpuls prägte den Jahresauftakt. Lagerfähige Produkte wie Dichtungsprofile und Plattenware waren gefragt. Was nach Aufschwung aussah, war jedoch lediglich das Nachholen verschobener Bestellungen. Anfang April war die Nachfrage bereits wieder rückläufig – im Inland unter, im Ausland leicht über Vorjahresniveau. Zwar blicken viele Unternehmen etwas optimistischer auf das Gesamtjahr als noch zum Jahreswechsel, doch mehr als eine schwarze Null traut sich kaum jemand zu. Die größten Herausforderungen bleiben schwache Nachfrage, Gesetzesflut, hohe Energiepreise und schwierige Standortbedingungen. 

Gleichzeitig sind die Rohstoffmärkte weiterhin volatil und die Abhängigkeit von asiatischen Quellen ist nach wie vor hoch. Immerhin setzen inzwischen 33 Prozent der Unternehmen Rezyklate ein, während weniger als ein Viertel biobasierte Alternativen nutzt – für viele andere sind die technischen und preislichen Hürden zu hoch. Der wdk spricht für das Jahr 2025 längst von „fünf nach zwölf“. Jetzt gehe es um Substanzerhalt. Die Unternehmen sind bereit. Nun ist die Politik am Zug.

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