Neues aus der Forschung

Aufschieberitis? Lässt sich beherrschen!

Wie es zur sogenannten Prokrastination kommt – und wie man sie überwinden kann

von Ursula Wirtz

· Lesezeit 3 Minuten.
Morgen, morgen, nur nicht heute: Jeder schiebt mal gerne etwas auf die lange Bank. Foto: mentalrai – stock.adobe.com (Buch), le2jh – stock.adobe.com (Text), Montage: KAUTSCHUK

Münster. Die Garage ist noch immer nicht ausgemistet, die Steuerformulare liegen seit Wochen unbearbeitet auf dem Tisch, der Stapel Bügelwäsche wartet – und wächst … Das kennt fast jeder! Nur zwei Prozent der für eine Studie Befragten gaben an, nie irgendetwas aufzuschieben. Ein gewisser Hang zum Schlendrian ist also durchaus weit verbreitet. Für etwa jeden Zehnten aber kann das zu ernsthaften Problemen führen. Und für fast alle stellt sich die Frage: Woher kommt bloß diese lästige Selbst-Blockade – und was kann man dagegen tun?

„Mal etwas aufzuschieben, das ist absolut normal. Kritisch wird es erst, wenn es ständig passiert“, weiß Psychotherapeutin Juliane Kunert. Sie arbeitet in der Psychotherapieambulanz der Uni Münster, die unter anderem auf die Prokrastination – so heißt das Problem im Fachjargon – spezialisiert ist.

Zu langes Planen verhindert das Tun

Die Ursachen sind vielschichtig. „Viele haben als Schüler nicht gelernt, sich selbst zu managen“, erklärt Kunert. Hinzu komme oft die Angst, Fehler zu machen und später dafür kritisiert zu werden. Viele scheitern auch schon an der Planung, sie wissen letztlich nicht: Womit fange ich an, wie gehe ich systematisch vor? Dazu gehört auch, den Zeitaufwand realistisch einzuschätzen: Sonst schafft man das vorgesehene Pensum nicht und wird entmutigt.

Und manchmal frisst ja allein die Planung schon alle Zeit und Energie, weil man überperfektionistische Ansprüche hat. „Dieses Überplanen ist eine  Alternativbeschäftigung, mit der man sich von der eigentlichen Aufgabe ablenkt“, sagt Fachfrau Kunert.

Effektive Strategien gegen das Trödeln

Gut zu wissen: Grundsätzlich kann jeder seine aufschiebenden Gewohnheiten „umpolen“ und sich andere Verhaltensweisen antrainieren! Wenn eine unbequeme Aufgabe ansteht, ist es entscheidend, den Einstieg zu schaffen: Ist diese Hürde einmal genommen, lässt der Widerwille nach. Aber wie machen wir uns den Einstieg leichter? Kunert empfiehlt, genau festzulegen, wann, wo und wie lange wir uns der Aufgabe widmen wollen. Daran sollten wir uns vom Handy erinnern lassen – oder auch einen Freund bitten, zur angepeilten Uhrzeit anzurufen und uns Mut zuzusprechen: „Viel Erfolg beim Aufräumen der Garage!“

„Dinge anzugehen und sie rechtzeitig zu erledigen: Das kann jeder trainieren!“
Juliane Kunert
Prokrastinationsambulanz Uni Münster

Einmal an der Arbeit, gilt dann aber: das Smartphone auf Flugmodus stellen – und außer Sicht- und Reichweite legen. Denn sonst ist die Ablenkung schier unwiderstehlich. Aus ihrer Arbeit in der Ambulanz weiß Kunert, dass auch folgender Trick wirkt: „Mit einem Ritual kann man der lästigen Aufgabe etwas Positives voranstellen.“ Zum Beispiel den Arbeitsplatz vorbereiten, Tee oder Kaffee kochen, noch mal lüften, eine bestimmte Musik hören. „So ein Einstiegsritual darf aber
maximal 15 Minuten dauern, nicht länger“, warnt die Expertin.

Professionelle Hilfe

Die meisten können die lästige Prokrastination also recht gut selbst bekämpfen. Ab wann das Problem sich allerdings zu einer ernsthaften Störung auswächst, die behandelt werden sollte, das lässt sich nicht klar definieren: Entscheidend ist der individuelle Leidensdruck. Wer sich im Alltag stark beeinträchtigt fühlt, gar die Arbeitsstelle gefährdet sieht, sollte sich professionelle Hilfe suchen.

Wo man auf der Aufschieberitis-Skala steht, kann man mit einem Selbsttest der Prokrastinationsambulanz herausfinden – einfach für sich allein den Fragebogen ausfüllen und anonym auswerten lassen. Unser Link führt direkt dorthin.

                       

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