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Branchen-News

Was die Branche im August 2023 bewegt

Industrie-Konjunktur, alternative Rohstoffe und neue Berufsbezeichnung: Was sich bei Kautschuk derzeit tut

· Lesezeit 3 Minuten.

Umfrage zur Aktuellen Lage der Branche

Anfang Juli hat der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (wdk) eine Online- Umfrage bei seinen Mitgliedsunternehmen durchgeführt, um die aktuelle Geschäftslage und die wirtschaftlichen Perspektiven der Branche zu erfassen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen hat sich beteiligt. „Die Zahlen stehen im Einklang mit den rezessiven Tendenzen der gesamten deutschen Industrie im ersten Halbjahr 2023 und lassen für die nahe Zukunft keinen großen Optimismus zu“, sagt wdk-Chefvolkswirt Michael Berthel. Die eher marginale Umsatzausweitung bei verringerter Menge in den ersten sechs Monaten des Jahres deutet darauf hin, dass Inflation und Lagerbestand dämpfenden Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung nehmen und dabei auf eine zurückhaltende Nachfrage treffen. Wie vergleichbare Daten ausländischer Kautschukverbände belegen, weist der Bedarf an Elastomerprodukten aus deutscher Produktion eine im weltweiten Vergleich größere Schwäche auf. Der internationale Wettbewerbsnachteil, den die deutsche Industrie beklagt, trifft auch die heimischen Kautschukverarbeiter.

Geschäftslage der Branche gibt wenig Anlass zu Optimismus: wdk-Chefvolkswirt Michael Berthel. Foto: wdk

Geschäftslage der Branche gibt wenig Anlass zu Optimismus: wdk-Chefvolkswirt Michael Berthel. Foto: wdk

Zwar kann die Mehrheit der befragten Unternehmen steigende Umsätze ausweisen, jedoch berichten fast vier von zehn Firmen von einer negativen Umsatzentwicklung. Im Durchschnitt ergibt sich für das erste Halbjahr 2023 noch ein Umsatzplus von 1,9 Prozent. Die Absatzmenge sank aber im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,1 Prozent und die Produktion um 2,3 Prozent.

Der Trend bei den Inlandsaufträgen ist wenig erfreulich: Fast drei Viertel der Unternehmen erwarten einen Rückgang. Stagnation oder Rückgang der Auslandsaufträge erwarten 81 Prozent. Auf die Frage nach der Absatzperspektive für das Gesamtjahr melden fast drei Fünftel der Unternehmen eine negative Entwicklung im Vergleich zu 2022.

Positiv zu vermerken ist, dass Produktionsausfälle wegen Behinderungen der Lieferkette, die in den letzten beiden Jahren stark ausgeprägt waren, der Vergangenheit anzugehören scheinen. Fehlende Rohstoffe und finanzielle Probleme sind bei den wdk-Mitgliedsunternehmen nur noch vereinzelt anzutreffen. Latente Probleme sind aktuell die mangelnde Verbrauchernachfrage und der strukturell bedingte Fachkräftemangel – für die Produktion wie auch für den sonstigen Geschäftsbetrieb.

Die Zahlen deuten in Summe auf eine mittelfristig anhaltend schwierige Marktsituation hin. „Für die Zeit danach stimmt optimistisch“, so Berthel, „dass die Branchenunternehmen trotz der angespannten Marktlage und verbesserungswürdigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen die Aufgaben der industriellen Transformation angehen“ – dazu gehören etwa digitalisierte Prozesse unter Nutzung von KI, Klimaschutz und Energieeffizienz.

Aus Mechaniker wird Technologe

Die Berufsbezeichnung Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik hat ausgedient. Seit dem 1. August 2023 heißt der Ausbildungsberuf Kunststoff- und Kautschuktechnologe. Nicht nur der Name ändert sich: Zusätzlich aufgenommen ins Ausbildungsprofil wurden die Bereiche Nachhaltigkeit/Kreislaufwirtschaft sowie Digitalisierung, die die Branche derzeit entscheidend verändern.

Illustration: Pro-K

Illustration: Pro-K

Eine grundsätzliche Neuordnung sei aber nicht nötig, betonte Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer im Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie. Die Struktur der Ausbildung und die sieben Fachrichtungen seien weiterhin „zeitgemäß und wichtig“. Überdies wurden mit der additiven Fertigung und der Prozessintegration zwei neue Zusatzqualifikationen in die Ausbildung aufgenommen.

Neu im Netzwerk

Der Reifenhersteller Michelin hat sich der „Allianz Zukunft Reifen“ angeschlossen. Dieses Netzwerk, in dem über 50 Partner aus Industrie, Handel und Wissenschaft engagiert sind, setzt sich dafür ein, Altreifen zu 100 Prozent wiederzuverwenden oder anderweitig zu verwerten. Die Partner erarbeiten neue Konzepte für einen ökologisch und ökonomisch sinnvollen Reifenkreislauf. Michelin Deutschland hat nach eigenen Angaben seit 2010 durchschnittlich rund 40 Prozent seines CO2-Ausstoßes abgebaut. Bis 2030 will der Reifen-Konzern seinen Wasserverbrauch um mehr als 30 Prozent senken.

Reifenwerkstoff ohne Erdöl

Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht in Oberhausen haben gemeinsam mit Forschern von Partnerinstitutionen einen vielversprechenden Weg entdeckt, Butadien – einen wichtigen Reifenwerkstoff – aus Ethanol statt erdölbasiert zu gewinnen. Ausgangspunkt des im Projekt Power 2 C 4 genutzten katalytischen Verfahrens unter Einsatz regenerativ erzeugten Stroms ist Ethanol, das etwa durch eine Hydrierungsreaktion aus C02 und elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff gewonnen wird.

Symbolfoto: Fraunhofer Umsicht

Symbolfoto: Fraunhofer Umsicht

Dieses Ethanol dient in einem zweiten Schritt zur Synthese von Butadien mittels des sogenannten Lebedev-Prozesses. „Wir konnten zeigen, dass der Lebedev-Prozess je nach verwendeter Ethanol- und Energiequelle das Potenzial hat, Butadien und damit auch Styrol-Butadien-Kautschuk aus biobasiertem Ethanol oder CO2-basiertem Ethanol herzustellen und CO2-Emissionen zu reduzieren“, sagt Daniel Maga, einer der beteiligten Forscher. Besonders die Nutzung von Ethanol aus Restbiomasse wie Bagasse oder Stroh eröffne Wege, die Treibhausgasemissionen von Butadien deutlich zu reduzieren.

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