Unternehmensreportagen

Die Lebensretter

SOS: Seit mehr als sechs Jahrzehnten steht die Firma Secumar für Sicherheit auf, im und über dem Wasser

von Lothar Steckel

· Lesezeit 4 Minuten.
Bunte Produktvielfalt: Secumar-Chef Benjamin Bernhardt inmitten seiner aufblasbaren Rettungswesten. Foto: KAUTSCHUK/Christian Augustin

Holm. Sicherheit wird bei Secumar großgeschrieben – ganz groß. Denn die Rettungswesten und Kälteschutzanzüge, die die Bernhardt Apparatebau GmbH u. Co. unter dem Markennamen Secumar im Hamburger Westen produziert, müssen 100-prozentig funktionieren. Zu jeder Zeit und auch unter extremsten Bedingungen. „Kein Produkt verlässt unser Haus ungeprüft“, versichert Firmenchef Benjamin Bernhardt.

Der Wirtschaftsinformatiker führt das Familienunternehmen in vierter Generation. Sein Großvater Jost Bernhardt begann in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Spezialisierung der Firma hin zur Fertigung von Seenot-Rettungsmitteln. Auslöser war der Untergang des Großsegelschiffs „Pamir“, bei dem 80 Seeleute im Jahr 1957 trotz angelegter Schwimmwesten ums Leben kamen.

Das ließ Jost Bernhardt nicht ruhen. Er entwickelte die erste ohnmachtssichere Rettungsweste, die auch bei bewegungsunfähigen Menschen Mund und Nase über der Wasseroberfläche hält. 1961 führte er den Markennamen Secumar ein, abgeleitet aus dem Lateinischen securitas in mare, „Sicherheit im Meer“: bis heute Inbegriff für qualitativ hochwertige Seenot-Rettungsmittel.

Handarbeit nach Maß

Aktuell entwickeln, prüfen und fertigen 120 Mitarbeitende in Holm im Kreis Pinneberg rund 100.000 aufblasbare Schwimmwesten im Jahr. Darüber hinaus produzieren sie Kälteschutzanzüge, Therapie-Hilfsmittel, Feststoffwesten, Seenotleuchten, Treibanker und viele weitere Artikel, zum Beispiel einen aufblasbaren Frontspoiler für einen namhaften deutschen Sportwagenhersteller. Innovationen gehören zur Unternehmens-DNA – so haben die Rettungsmittel-Spezialisten die erste vollautomatisch aufblasbare Rettungsweste, die durch Kontakt mit dem Wasser ausgelöst wird, gefertigt. Sie ist heute in Berufsschifffahrt und Wassersport Standard.

Härtetest im Wasser: Mitarbeiter Igor Neufeld prüft alle Neuentwicklungen im Wasserbad. Foto: KAUTSCHUK/Christian Augustin

Härtetest im Wasser: Mitarbeiter Igor Neufeld prüft alle Neuentwicklungen im Wasserbad. Foto: KAUTSCHUK/Christian Augustin

Strenge Komponentenprüfung

Obwohl Secumar in Serie produziert, ist das Unternehmen ein echter Manufakturbetrieb mit hoher Fertigungstiefe. „Wir machen vom Zuschnitt über die Näherei, die Schweißerei bis zur Montage und die aufwendigen Funktions- und Sicherheitsprüfungen alles selbst“, berichtet Bernhardt.

Bei sämtlichen Fertigungsschritten stehen Qualität und Sicherheit im Vordergrund. Bereits die Lieferanten werden in den Qualitätskreislauf eingebunden. Schon beim Wareneingang werden alle Komponenten einer eingehenden Prüfung unterzogen. „Wir prüfen, zählen, messen, wiegen und sortieren schon in diesem frühen Stadium fehlerhafte Komponenten aus“, sagt der Chef.

„Kein Produkt verlässt unser Haus ungeprüft“ - Benjamin Bernhardt, Geschäftsführer von Secumar

So werden beispielsweise sämtliche CO2-Patronen gewogen und alle Auslösemechanismen zum Aufblasen der Schwimmkörper penibel überprüft. Jede Rettungsweste durchläuft ein Prüfprogramm. Laborgeräte wie Klimasimulationsschrank, Zug- und Druckkraftmesser sowie eine Salzwassersprühanlage stehen dafür zur Verfügung.

CO2-Patronen: Für den Einsatz in automatisch aufblasbaren Rettungswesten. Foto: KAUTSCHUK/Christian Augustin

CO2-Patronen: Für den Einsatz in automatisch aufblasbaren Rettungswesten. Foto: KAUTSCHUK/Christian Augustin

Aus großen Stoffbahnen werden in der Abteilung Zuschnitt die Stoffteile der späteren Rettungswesten zugeschnitten. Die Bahnen werden mit CAD-gesteuerten Maschinen abgelängt, Einzelteile gestanzt oder mit hochmodernen Laserzuschnittmaschinen ausgeschnitten.

Vernäht, verschweißt, verlässlich

Danach werden in der Näherei aus den Zuschnitten Westen und Anzüge geschneidert, mit Druckknöpfen und Kauschen versehen und mit Gurtschlaufen und Reißverschlüssen ausgestattet. In der Schweißerei kommen Kleinteile wie Gasanschlüsse, Ventile und Stege dazu, und die Außenkonturen der Schwimmkörper werden verschlossen. „Dazu nutzen wir unter anderem die Hochfrequenzschweißtechnik, die unser Basismaterial TPU sicher und zuverlässig verschweißt“, erklärt Bernhardt.

Hochwertige Handarbeit: In der Schneiderei bearbeitet Näher Idrissa Kanté eine Rettungsweste für die spanische Marine. Foto: KAUTSCHUK/Christian Augustin

Hochwertige Handarbeit: In der Schneiderei bearbeitet Näher Idrissa Kanté eine Rettungsweste für die spanische Marine. Foto: KAUTSCHUK/Christian Augustin

Königliches Vertrauen

In der Montage werden die Einzelteile der Westen und Anzüge schließlich zum Endprodukt zusammengefügt. Zuvor müssen die Schwimmkörper auf Dichtigkeit geprüft werden, danach erfolgt eine Kontrolle aller Einzelkomponenten. Am Ende der Montage werden die Produkte ein weiteres Mal kontrolliert und dann versandfertig verpackt.

Alle Fertigungsschritte sind qualitätsüberwacht. Das QM-System ist ISO 9001-zertifiziert, die Produkte fallen unter die europäische Richtlinie für Persönliche Schutzausrüstungen (PSA). Rettungswesten und Kälteanzüge sind CE-gekennzeichnet und unterliegen der EU-Baumusterprüfung. Jeder Arbeits- und Prüfschritt wird zudem dokumentiert.

Neben Marine und Militär zahlreicher europäischer Staaten zählen die Fähr- und Passagierschifffahrt, die Feuerwehr und Polizei, Rettungsorganisationen wie THW und DRK, Offshore-Unternehmen sowie Windparks und Wasser- und Schifffahrtsämter zum Secumar-Kundenkreis. Etwa ein Drittel des Umsatzes entfällt auf den Bereich Freizeit und Sport. Auch Betriebe, die in irgendeiner Weise mit Wasser zu tun haben, zum Beispiel Energieerzeuger oder Hafenbetriebe, zählen zu den Kunden. Und auch einige skandinavische Königshäuser setzen auf Secumar, sagt Benjamin Bernhardt nicht ohne Stolz. Und zeigt auf ein Foto, auf dem der dänische König Frederik – damals noch Kronprinz – mit einer Rettungsweste zu sehen ist.

Secumar – die Fakten

Secumar ist die Marke der Bernhardt Apparatebau GmbH u. Co. Karl Bernhardt, Urgroßvater des heutigen Firmenchefs, gründete 1926 in Hamburg das Vorgängerunternehmen „Ingenieur Karl Bernhardt Apparatebau“. Es produzierte Taucherausrüstungen und -anzüge. Nach dem Zweiten Weltkrieg spezialisierte sich die Firma auf Seenot-Rettungsmittel. Jost Bernhardt, Sohn des Firmengründers, führte 1961 die Marke Secumar ein. Heute arbeiten für den Betrieb 120 Beschäftigte in Holm, Landkreis Pinneberg. Der Umsatz erreichte 2022 rund 19 Millionen Euro.

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