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Arzttermin während der Arbeit: Was ist rechtlich erlaubt?
Klar: Wenn es wehtut, sollte man schnell zum Doktor. Aber was gilt eigentlich, wenn eine mögliche Sprechstunde und die berufliche Pflicht kollidieren? Ein Experte für Arbeitsrecht klärt auf
von Bettina Blass
Berlin. Wer krank ist, muss zum Arzt. Das steht außer Frage. Allerdings gibt es einen klaren Hinweis darauf, dass ein medizinischer Termin während der Arbeitszeit nur unter bestimmten Umständen vom Chef akzeptiert (und bezahlt) werden muss. Roland Wolf, Geschäftsführer und Abteilungsleiter für Arbeits- und Tarifrecht bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, erklärt: „In Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches steht in diesem Zusammenhang die Formulierung ‚ohne sein Verschulden‘ – das heißt, dass sich der Arbeitnehmer um einen Arzttermin außerhalb der Arbeitszeit bemühen muss.“
Was, wenn die Praxis nur während der Arbeitszeiten geöffnet hat?
Hat ein Arzt aber beispielsweise nur von 9 bis 12 Uhr Sprechstunde und liegt dieses Zeitfenster innerhalb der Arbeitszeit, dann darf der Arbeitnehmer den Termin trotzdem wahrnehmen, ohne auf Lohn verzichten zu müssen. Das gilt sogar für Teilzeitkräfte, die durch ihr Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich mehr Freizeit haben sollten als Vollzeitangestellte. Von ihnen wird dementsprechend ein Arztbesuch außerhalb der Arbeitszeit erwartet. Gibt es dafür aber von Arztseite aus keine Möglichkeit, dann kann ein Termin während der Arbeitszeit akzeptiert werden.
Anders sieht es aus, wenn im Betrieb Gleitzeit möglich ist. Dann sollte der Arbeitnehmer versuchen, vor der Arbeit zum Arzt zu gehen. „Er kann dank der flexiblen Arbeitszeiten später anfangen zu arbeiten und geht dementsprechend auch später nach Hause“, sagt Wolf.
Was gilt bei akuten Problemen?
Weniger planbar ist die Situation, wenn der Arbeitnehmer erst währendder Arbeit bemerkt, dass er krank ist oder wird: Zahnschmerzen oder Fieber beispielsweise oder auch ein Unfall sind ein ausreichender Grund, um während der Arbeitszeit zum Arzt zu gehen, obwohl es auch während der Freizeit Termine gegeben hätte.
Muss ich dem Betrieb gegenüber nachweisen, dass ich beim Arzt war?
Ob der Arbeitnehmer einen Nachweis über seinen Arztbesuch vorlegen muss, hängt oft vom Arbeits- oder Tarifvertrag ab. Was dort steht, ist bindend. Gibt es keine Vorgaben, sollte man im Zweifel den Vorgesetzten fragen, ob man eine Bescheinigung mitbringen muss. „Sinnvollerweise bestätigt der Arzt dann auch, dass der Besuch während der Arbeitszeit notwendig war“, rät der Experte für Arbeitsrecht.
Könnte der Chef mir einen anderen Arzt vorschreiben?
Je nachdem, wo der Arzt sitzt und wo der Arbeitnehmer seine Einsatzstelle hat, fällt manchmal viel Fahrtzeit an. „Trotzdem darf der Chef keinen Einfluss auf die Arztwahl nehmen“, sagt Wolf. Der Betrieb kann also den Beschäftigten nicht dazu zwingen, zum Beispiel einen Zahnarzt in der Nachbarschaft aufzusuchen, wenn der Mitarbeiter schon seit Jahren ein Vertrauensverhältnis zu seinem Zahnarzt hat, der aber deutlich weiter entfernt ist. „Dementsprechend bekommt der Arbeitnehmer auch für die Zeit der Anund Abreise seinen Lohn, sofern der Termin während der Arbeitszeit unvermeidbar war.“
Und wenn jemand chronisch krank ist?
Wer chronisch krank ist, muss sich (wie andere Arbeitnehmer auch) darum bemühen, einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu bekommen. „Das gilt allerdings nicht für Dialyse-Patienten“, sagt Wolf: Diese dürften auch während der Arbeitszeit in die Behandlung.
Gibt es spezielle Regeln während der Schwangerschaft?
Ja. Für Schwangere gilt, was Paragraf 7 Mutterschutzgesetz regelt: Vorsorgeuntersuchungen, die die gesetzliche Krankenkasse bezahlt, dürfen während der Arbeitszeit durchgeführt werden.
Darf ich mein Kind zum Arzt begleiten?
Für Eltern mit kleinen Kindern gilt die normale Regelung: Arzttermine gehören in die Freizeit – außer, wenn es sich um eine akute Situation handelt. Wer während der Arbeitszeit mit dem Nachwuchs zum Arzt musste, sollte sich bescheinigen lassen, dass das kranke Kind noch auf Begleitung angewiesen ist.
„In der Regel geht man davon aus, dass Kinder ab zwölf Jahren auch allein zum Arzt gehen können“, sagt Wolf. Es gibt allerdings Untersuchungen und Diagnosen, die auch bei älteren Kindern die Anwesenheit eines Elternteils notwendig machen.
Was passiert, wenn man sich nicht an die Regeln hält?
Gibt es innerhalb des Betriebs besondere Regelungen zum Arztbesuch während der Arbeitszeit, muss sich der Arbeitnehmer daran halten, solange sie mit dem Gesetz vereinbar sind. Wer gegen solche Regelungen verstößt, muss mit einer Abmahnung und gegebenenfalls mit einer Kündigung rechnen.