Standort Deutschland

Wie schaffen wir wieder mehr Wachstum?

Das Bruttoinlandsprodukt schrumpft dieses Jahr. Die Wirtschaft fordert von der Politik Maßnahmen

von Hans Joachim Wolter

· Lesezeit 3 Minuten.
Der Standort Deutschland verliert an Attraktivität: Immer mehr Firmen investieren lieber im Ausland. Foto: openwater – stock.adobe.com

Köln. Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft sind nicht gut. Der Welthandel lahmt, Exporte und Aufträge schwächeln, Energie ist knapp und teuer. Nach der Rezession im Winter verharrt die Ökonomie in Schockstarre. Um fast 0,5 Prozent dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr schrumpfen, so prognostiziert es zum Beispiel das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die USA, China, Japan, Frankreich, Spanien und viele andere Industriestaaten dagegen wachsen weiter.

„Anstatt alles daranzusetzen, dass wir im Innovationswettbewerb besser werden, reden wir über Verbote“  – BDI-Präsident Siegfried Russwurm

Der Standort D verliert an Attraktivität. Immer mehr Geld investieren deutsche Firmen im Ausland, nur wenig ausländische Firmen hier. Die Differenz aus Zuflüssen und Abflüssen rutscht immer stärker ins Negative: Minus 132 Milliarden Dollar (125 Milliarden Euro) waren es allein im im vergangenen Jahr.

Und das ist nur eines von vielen Warnsignalen. Das weltweit führende Wirtschaftsmagazin „The Economist“ fragte daher auf der Titelseite: „Ist Deutschland wieder einmal der kranke Mann Europas?“

Hiesige Wirtschaftsverbände schlagen schon länger Alarm. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger etwa fordert: „Wir brauchen weniger Regulierungen und Belastungen.“ Siegfried Russwurm, Präsident des Industriedachverbands BDI, stellt fest: „Wir müssen deutlich schneller werden!“ Auch viele andere Experten mahnen an, was unserer Wirtschaft jetzt besonders helfen würde:

Weniger Bürokratie  Genehmigungen müssen schneller klappen. Das Beispiel der LNG-Terminals für die Gasversorgung zeigte ja, dass das geht: In sechs Monaten waren sie am Netz. „Dieses ‚Deutschland-Tempo‘ muss sektorübergreifend zur Regel werden“, fordert BDI-Präsident Russwurm. Bei Windrädern, Stromleitungen, Gaskraftwerken, Bahntrassen gibt es erste Gesetze. Nötig ist das aber auch für Industrieanlagen – damit die Transformation zur klimaschonenden Produktion zügig klappt. Dieser Bereich sei jedoch „aus dem Blick der Politik geraten“, kritisiert der BDI. Ganz allgemein müssen Melde- und Berichtspflichten entschlackt werden. 442 konkrete Vorschläge haben 57 Verbände dazu gemacht, laut Normenkontrollrat sind viele gute Anregungen dabei. Bundesjustizminister Marco Buschmann arbeitet an der Umsetzung in Berlin und Brüssel.

Mehr Offenheit für Innovationen  Was nicht nur Russwurm ärgert: „Anstatt alles daranzusetzen,dass wir im Innovationswettbewerb besser und schneller werden, reden wir über Verbote.“ Beispiele? Speichern von Klimagas unter der Erde (kurz „CCS“) – bei uns verboten. Gas fördern durch Fracking – bei uns verboten. Grüne Gentechnik beim Pflanzenzüchten – bei uns verboten. Erfindungen und Entwicklungen müssen aus Sicht der Wirtschaft bessere Chancen bekommen. Der Markt sollte dann entscheiden, was die beste Lösung ist.

Weniger Steuern  Fast 30 Prozent Steuern kassiert der deutsche Staat im Schnitt vom Gewinn der Unternehmen – das ist deutlich mehr als in anderen Ländern. Perspektivisch müsse „eine im internationalen
Vergleich übliche Steuerbelastung von maximal 25 Prozent“ erreicht werden, fordert der BDI.

Mehr Fachkräfte  Den Arbeitskräftemangel muss die Regierung noch stärker anpacken. Deutschland muss jedenfalls mehr Fachkräfte im Ausland anwerben. Das allein kann aber den demografischen Wandel, also das starke Altern unserer Gesellschaft, nicht auffangen. „Wir werden alle länger arbeiten müssen“, sagt Arbeitgeberpräsident Dulger, „die Rente sollte an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden.“

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