Branchen-News

Was die Branche im Mai bewegt

Rückläufige Kunststoffproduktion, Fachkräftemangel, Bioplastik und intelligente Sortiermaschinen – die News

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Schwerste Krisenzeiten

Die kunststofferzeugende Industrie in Deutschland hat 2023 das zweite Jahr in Folge weniger produziert. Das teilte Plastics ­Europe Deutschland (PED) mit. Demnach sank die Produktion von Kunststoffen in Primärformen um 15,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Preise für Kunststoffe gingen in dieser Zeit um 5,3 Prozent zurück und der Branchenumsatz verringerte sich um 21,9  Prozent. Eine schnelle Erholung wird nicht erwartet. Ralf Düssel, Vorstandsvorsitzender von PED: „Dies ist ohne Frage die schwerste ökonomische Krise seit dem Bestehen unserer Industrie. Wir gehen derzeit davon aus, dass die Produktion auch in diesem Jahr stagniert und 25 Prozent unter dem Niveau von Anfang 2022 bleibt.“

Produktionsrückgang von 15,3 Prozent. Die deutsche Kunststoffindustrie erlebte 2023 eine schwere ökonomische Krise. Foto: BASF

Produktionsrückgang von 15,3 Prozent. Die deutsche Kunststoffindustrie erlebte 2023 eine schwere ökonomische Krise. Foto: BASF

Das Ziel der gesamten Kunststoffwertschöpfungskette müsse es jetzt sein, „wichtige Strategie- und Strukturanpassungen vorzunehmen, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen“. Trotz der schwierigen Marktbedingungen setze man den Weg zur Kreislaufwirtschaft „unbeirrt fort“, so Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer von PED. „Die deutsche und europäische Kunststoff­industrie hat hier zurzeit im Vergleich zu anderen Regionen der Welt einen Technologievorsprung, den es zu bewahren und auszubauen gilt.“

Biokunststoff aus der Schweiz

Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL) haben einen neuen Ansatz zur Herstellung von Hochleistungskunststoffen aus erneuerbaren Ressourcen vorgestellt. Aus Biomasse wie etwa Holz oder Maiskolben wird dabei ein sogenanntes stabilisiertes Kohlenhydrat (Dimethylglyoxylat-Xylose) gewonnen. Die Forscher entwickelten zudem ein katalysatorfreies Verfahren zur Umwandlung dieses Kohlenhydrats in hochwertige Polyamide, wobei kaum Abfall entsteht.

iPhone-Hülle aus Bio-Polyamid. Foto: Lorenz Mankler/EPFL

iPhone-Hülle aus Bio-Polyamid. Foto: Lorenz Mankler/EPFL

Bei den Materialeigenschaften können diese Polyamide mit ihren fossilen Pendants konkurrieren. In mehreren Zyklen des mechanischen Recyclings haben sie sogar eine hohe Widerstandsfähigkeit bewiesen. Potenzielle Anwendungen für diese Werkstoffe reichen von Automobilteilen bis hin zu Konsumgütern, die einen deutlich reduzierten Kohlenstoff-Fußabdruck aufweisen. Die Produktion dieser Materialien wird nun an der ETHL-Ausgründung „Bloom Biorenewables“ für den Markteintritt hochgefahren.

EU-Deal für Verpackungen

Nach zwei Monaten intensiver Diskussionen haben sich die Verhandlungsteams des Europäischen Parlaments und der Mitgliedsstaaten am 4. März auf einen vorläufigen Kompromiss zu den künftigen Verpackungsregeln im EU-Binnenmarkt (PPWR) geeinigt. Allerdings hat die EU-Kommission diesem Kompromiss noch nicht zugestimmt. Voraussichtlich Anfang 2025 wird sich das neu gewählte EU-Parlament mit der Verpackungsverordnung befassen. Grund für diese Verzögerung ist, dass die finale Vereinbarung noch von den Juristen geprüft werden muss. So monieren Experten zahlreiche Detailregelungen, die nach einem Rechtsgutachten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der EU verstoßen. Einen kritischen Punkt nennt die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. So sagt Isabell Schmidt, die IK-Geschäftsführerin für Kreislaufwirtschaft: „Die Ungleichbehandlung würde insbesondere den Ersatz von reinen Kunststoffverpackungen durch schwer recycelbare Papier-Kunststoff-Verbunde befeuern“, was eine „ökologisch dramatische Fehlsteuerung zu kunststoffbeschichteten Kartonagen“ nach sich zöge. 

Die Guten ins Töpfchen

Der norwegische Recyclingtechnik-Spezialist Tomra hat eine Sortierlösung entwickelt, die Kunststoffabfälle danach trennt, ob sie mit Lebensmitteln in Kontakt standen oder nicht. Das Verfahren beruht auf einer Technologie, die optische Erkennung mittels Nahinfrarot, visueller Spektrometrie und anderer Sensoren mit dem als „Gainnext“ bezeichneten Verfahren verbindet. Letzteres basiert auf künstlicher Intelligenz (KI) und sogenanntem Deep Learning. 

Die Tomra-Technologie sortiert Kunststoffe aus, die im Lebensmittelkontakt standen. Foto: Tomra

Die Tomra-Technologie sortiert Kunststoffe aus, die im Lebensmittelkontakt standen. Foto: Tomra

Wie Tomra versichert, verbessert Gainnext die Sortierleistung der eigenen Autosort-Systeme, sodass diese nun in der Lage sind, Objekte zu identifizieren, die allein mit optischer Sensorik nur schwer oder überhaupt nicht zu klassifizieren sind. Man habe inzwischen Reinheitsgrade von über 95 Prozent in Anlagen in Großbritannien und Europa erreicht.

Wettbewerb um junge Talente

Freie Stellen in der Industrie können immer schwerer besetzt werden. Das zeigt die Anfang 2024 erhobene Tecpart-Umfrage unter Kunststoffverarbeitern. So wurde bei der Frage, ob es im Unternehmen Fachkräftemangel gebe, mit 88,2 Prozent Zustimmung ein neuer Höchststand ermittelt. Zudem sei ein Mangel an Kunststofftechnikern, Verfahrensmechanikern sowie Azubis in diesen Berufen zu verzeichnen. Auch Kunststoffingenieure fehlten. Ausreichender Nachschub an Lehrlingen und Ingenieuren ist nach dieser Umfrage nicht zu erwarten. Allein im Ausbildungsberuf Verfahrensmechaniker Kunststoff und Kautschuk ist die Zahl der Azubis in den letzten acht Jahren um rund 43 Prozent zurückgegangen. In den Hochschulen ist die Lage nicht besser. In der Umfrage meldeten fast alle Bildungseinrichtungen einen Rückgang der Bewerberzahlen. Tecpart-Geschäftsführer Michael Weigelt bewertet diese Entwicklung als „sehr brisant und besorgniserregend“. 
 

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