Unternehmensreportagen

Auf dem richtigen Weg

Wie UPM fossile Rohstoffe ersetzt und dabei nachhaltig die Umwelt schützt

von Uwe Rempe

· Lesezeit 4 Minuten.
Die Bauarbeiten sind noch im Gange: Das zeigt eine Luftaufnahme der UPM-Bioraffinerie in Leuna. Anfang 2025 soll hier die Produktion angefahren werden. Foto: UPM

Leuna. Ein Holzlagerplatz im Chemiepark? Wird hier jetzt auf ganze andere Weise Strom produziert oder geheizt? Nein: Die große und gut geordnete Lagerfläche dient der Rohstofflagerung. Denn die finnische Bioraffinerie UPM Biochemicals wird hier, im größten geschlossenen Chemiepark Deutschlands, aus genau diesem Holz diverse chemische Vorprodukte herstellen.

Ein Grosser Schritt

„In der Raffinerie wird vor allem Buchenholz, ausschließlich aus nachhaltigen Quellen und aus 100 Prozent zertifiziertem Anbau, zu Biochemikalien verarbeitet. Aus denen werden künftig zum Beispiel Kleidungsstücke, Autoreifen, Möbel und PET-Flaschen gefertigt, die perfekt in alle bestehenden Wiederverwendungs- und Recyclingsysteme passen“, berichtet Michael Duetsch, Vice President von UPM Biochemicals.

Damit gehe sein Unternehmen den ersten großen Schritt von der Nutzung fossiler hin zu erneuerbaren Ressourcen. Und Arbeitsplätze in relevanten Größenordnungen entstehen auch: „Wir haben in Leuna mittlerweile etwa 180 Dauerarbeitsplätze geschaffen und bilden auch Azubis aus“, sagt der Geschäftsführer des Standorts. Vor allem Chemikanten und Chemielaboranten sowie Instandhaltungsplaner arbeiten derzeit fleißig. „Sie bereiten alles vor, damit die Anlage dann läuft“, erklärt Julia Bergmann, Personalleiterin des Unternehmens. „Dazu gehören aktuell zum Beispiel die intensive Planung der Abnahme und Testung der einzelnen Teilbereiche.“ Darüber hinaus kämen im unmittelbaren Umfeld, etwa im Bereich Logistik, zusätzliche Jobs hinzu.

Die Inbetriebnahme verschiebt sich

Aktuell muss die neue Bioraffinerie allerdings einen Rückschlag verkraften: Aufgrund von Personal- und Materialengpässen, die sich aus der allgemeinen Wirtschaftslage sowie aus den Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ergeben haben, verschiebt sich die Inbetriebnahme auf Anfang 2025. Entsprechend klettert die Investitionssumme von zuletzt 750 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro. Zu Beginn des Engagements an Sachsen-Anhalts größtem Chemiestandort hatte UPM noch mit Kosten von 550 Millionen Euro gerechnet.

Es geht hier um sogenannte Bio-Monoethylenglykole (kurz BioMEG), Bio-Monopropylenglykole (BioMPG) und um erneuerbare Funktionsfüllstoffe (RFF). Die BioMEG zum Beispiel dienen als Basismaterial für die Herstellung von PET-Flaschen, Verpackungsmaterialien, Textilien aus Polyester und Kühlmitteln. Mit beachtlichen Auswirkungen für Umwelt und Klima: „Unsere Produkte haben, gemessen auf Grundlage von in der Wissenschaft anerkannter Methodik, im Durchschnitt einen 50 bis 90 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck als konventionell hergestellte“, so Konrad Gebauer, Leiter der Prozessentwicklung bei UPM Biochemicals. Absatzprobleme seien eher keine zu erwarten, denn: „Viele Konzerne haben klar definierte Ziele, bis wann sie welche Produkte klimaneutral produzieren wollen.“

Wie ist die Idee für biobasierte Kunststoffe denn eigentlich entstanden? „In der Wissenschaft war die CO2-Problematik ja schon lange bekannt“, erklärt Manager Duetsch, „entsprechendes Handeln aber benötigt Auslöser. Das waren zum Beispiel die Wirtschaftskrise 2008/09 und wenige Jahre später die mit 80 bis 100 Dollar pro Fass sehr hohen Ölpreise.“ Das habe den Wandel eingeläutet. „Ich selbst komme als Chemiker aus der Forschung und bin deshalb 2011 zu UPM gegangen, weil ich dort etwas für die Nachhaltigkeit tun konnte.“

Erste Partner gibt es schon

In der Industrie wird intensiv an Produkten gearbeitet, die das neue Ausgangsmaterial nutzen wollen. Beispielsweise hat die mittelständische Kautschuk-Firma Sealable aus Waltershausen in Thüringen schon Proben der neuen Füllstoffe aus Leuna bekommen. Und sie in den eigenen Schienenlagerungssystemen getestet. Ergebnis: Der Ruß-Anteil im Gummi kann teilweise oder ganz ersetzt werden – und das neue, leichtere Füllmaterial führt zu einer deutlich höheren Isolation der Schienenlagerung.

Grünere Textilien in Sicht: UPM arbeitet mit dem Bekleidungshersteller Vaude am ersten Produkt aus holzbasiertem Polyester. Foto: UPM

Grünere Textilien in Sicht: UPM arbeitet mit dem Bekleidungshersteller Vaude am ersten Produkt aus holzbasiertem Polyester. Foto: UPM

Der Produzent von Funktionsbekleidung Vaude interessiert sich ebenfalls für die aus Buchenholz hergestellten Rohstoffe: In enger Kooperation arbeitet UPM gemeinsam mit dem Partner, einem innovativen Anbieter von Outdoor-Bekleidung, an einer ersten Fleecejacke aus holzbasiertem Polyester. Ein kleiner Schritt mit großer Wirkung, denn so lässt sich die Lücke zwischen recycelten Fasern und nachhaltigen neu zugeführten Fasern schließen und sogenannte Performance-Mode jenseits von fossilen Rohstoffen entwickeln. „Diese Partnerschaft zeigt, dass transformative Schritte in der chemischen Industrie hin zu erneuerbaren Materialien jetzt möglich sind“, betont Duetsch.

Übrigens: Die Innovation von UPM ist schon 2020 vom World BioEconomy Forum als „The Bio Act of the Year“ ausgezeichnet worden.

UPM Biochemicals Leuna – die Fakten

Die zum finnischen UPM-Konzern gehörende Bioraffinerie beschäftigt in Leuna mittlerweile 180 Mitarbeiter. Das Werk verarbeitet vorrangig Buchenholz und produziert daraus chemische Grundstoffe. Mit diesen lassen sich ab Betriebsstart Anfang 2025 etwa der Kunststoff PET, erneuerbare Funktionsfüllstoffe (RFF), Autoreifen oder Bekleidung herstellen, ohne zusätzliches Treibhausgas CO2 zu emittieren. Geleitet wird der Standort in Sachsen-Anhalt von Michael Duetsch, der zugleich als Vizepräsident von UPM Biochemicals fungiert.

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