Standort Deutschland
Euro 7: Abgasnorm auf dem Prüfstand
Die EU plant strengere Abgasregeln für Neufahrzeuge. Experten kritisieren den Entwurf zur Euro-7-Norm: Sie komme zur Unzeit und mache viele Kompaktautos zum Auslaufmodell
von Wilfried Hennes
Ab 2035 sollten in der EU keine Diesel und Benziner mehr neu zugelassen werden. Ausnahmen sind Verbrenner-Autos, die allein mit klimafreundlichen synthetischen Kraftstoffen betankt werden können.
300.000 Arbeitsplätze sind EU-weit in Gefahr
Jetzt will die EU noch eine letzte, strengere Abgasnorm durchdrücken: Euro 7. Mit diesem Regelwerk, so die EU-Kommission, werde der Stickoxidausstoß durch Pkws und Lieferwagen 2035 um 35 Prozent geringer sein im Vergleich zur Euro-6-Norm. Auch Feinstaubemissionen sollen sinken – und so Asthma und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems verhindert werden.
Der EU-Plan ist umstritten. Während Umweltverbände ihn als zu lasch kritisieren, befürchtet die Autoindustrie die Schließung von Fabriken. Durch die geplante Euro-7-Norm seien 300.000 Jobs in Gefahr, warnte unlängst Luca de Meo, Renault-Chef und Präsident des europäischen Automobilverbands ACEA. Auch der VW-Konzern wehrt sich gegen Euro 7 und fordert eine Fristverlängerung um zwei Jahre. Andernfalls könnten einige VW-Werke in Europa stillstehen. Alarm also in einer Branche, die EU-weit 3,48 Millionen Arbeitsplätze bietet – davon allein 786.000 in Deutschland.
Aber was steckt hinter den Brüsseler Plänen? Und welche Auswirkungen haben sie für Autofahrer?
GRENZWERTE Euro 7 ist die erste Abgasnorm, die für alle Straßenfahrzeuge und alle Antriebe gleichermaßen gilt – ob Pkw, Lieferwagen, Linienbus oder schwerer Lkw, mit Verbrennungs- oder E-Motor. Und sie unterscheidet nicht mehr zwischen Diesel und Benziner. So wird der Grenzwert für Stickoxide (NOx) auf den bisher nur für Benziner geltenden Höchstwert von 60 Milligramm je Kilometer gesenkt. Und für Benziner gilt künftig der gleiche Kohlenmonoxid-Grenzwert wie derzeit schon für Dieselfahrzeuge: 500 Milligramm CO je Kilometer.
Diese beiden Grenzwerte an sich sind nicht das Problem: Sie werden schon heute von Neuwagen eingehalten. In Zukunft aber gelten die Werte auch für Kaltstart und Extremsituationen. Zudem sind sie auch noch nach 200.000 statt heute 100.000 Kilometern zu erfüllen. Dazu kommen noch Grenzwerte für Ammoniak (NH3) sowie für Feinstaub und Mikroplastik aus dem Abrieb von Bremsen und Reifen.
EINFÜHRUNG Laut Plan der EU-Kommission soll die Norm schon ab dem 1. Juli 2025 in Kraft treten – zunächst für Pkws und leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Für Busse und Lkws gilt sie ab dem 1. Juli 2027. Vorher müssen EU-Parlament und alle 27 EU-Staaten das Vorhaben noch absegnen.
Thomas Puls, Verkehrsexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), hält es deshalb für „sehr ambitioniert“. Zudem käme der Plan zur Unzeit, weil sich Hersteller zunehmend von Kompaktwagen mit Verbrenner verabschieden: „Aber gerade diese betrifft die neue Norm.“
TECHNIK Neufahrzeuge müssen für Euro 7 künftig ein leistungsfähiges elektrisches Bordnetz haben. Grund: „Der Katalysator braucht eine elektrische Vorheizung, damit das Auto aus dem Stand niedrige Emissionswerte einhalten kann“, erklärt Professor Thomas Koch, Experte für Kolbenmotoren am Karlsruher Institut für Technologie.
KOSTEN Die EU geht von nur 90 bis 150 Euro Mehrkosten aus. IW-Experte Puls widerspricht: „Es wird spürbar teurer und betrifft vor allem Kleinwagen, die aus Kostengründen vorerst nicht elektrifiziert werden.“ ACEA-Präsident Luca de Meo schätzt, dass Pkws „um bis zu 10 Prozent teurer“ werden.
AUTOPREISE Sie werden steigen. Vor allem bei Kleinwagen, weil bei ihnen im Gegensatz zu großen Autos ein elektronisches Bordnetz fehlt. Bei VW Up, Fiesta oder A-Klasse sind schon jetzt keine Nachfolger mehr geplant. Skoda kündigte im März an, dass der Fabia eingestellt werde, falls Euro 7 kommt.
Die Fakten:
3,48 Millionen Menschen sind EU- weit in der Auto- und ZulieferIndustrie beschäftigt
Quelle: Eurostat 2022 (Zahl von 2019)
81 Milligramm Stickoxid (NOx) je gefahrenen Kilometer verursachte ein neu zugelassener Pkw 2012
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
20 Milligramm Stickoxid je gefahrenen Kilometer waren es bei Neuzulassungen 2021
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt