Standort Deutschland

Alarm im Mittelstand

Es gibt bei uns zu wenige Menschen, die eine Firma führen können – und das auch möchten

von Wilfried Hennes

· Lesezeit 2 Minuten.
Nachwuchssorgen: Vielen Betrieben in Deutschland fehlt es an Nachfolgerinnen und Nachfolgern für die Chefetage. Foto: eugenepartyzan - stock.adobe.com

Frankfurt/Bonn. Immer mehr Bäcker, Metzger und Handwerker schließen – aber auch mittelständische Industriebetriebe: einfach, weil es in der Chefetage keine Nachfolgerin oder keinen Nachfolger gibt. Betroffen sind Tausende Unternehmen und ihre Beschäftigten. Tendenz: steigend.

Die oftmals erfolglose Suche nach einem Nachfolger sorgt für Alarm im Mittelstand. „Ungewollte Stilllegungen von Unternehmen werden uns häufiger begegnen“, befürchtet Fritzi Köhler-Geib, die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW. „In naher Zukunft wird es voraussichtlich jeden vierten Nachfolgewunsch treffen.“

Laut KfW-Umfrage wollen schon bis Ende 2026 rund 560.000 der insgesamt 3,8 Millionen mittelständischen Unternehmer ihre Firma an einen Nachfolger übergeben – oder sie verkaufen. Bedenklich: Weitere 190.000 Inhaber planen, „ohne eine Nachfolgeregelung aus dem Markt auszutreten“.

190.000 Betriebe dürften bis 2026 vom Markt verschwinden, weil es keine Nachfolgeregelung gibt. Quelle: KfW-Mittelstandsumfrage

Allein in Nordrhein-Westfalen müssen bis 2026 etwa 40.000 Unternehmen ihre Führung an die nächste Generation übergeben, mehr als in jedem anderen Bundesland, so eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn. Bayern und Baden-Württemberg kommen mit rund 35.000 und 27.000 auf den zweiten und dritten Platz. Im Durchschnitt stehen in Deutschland 52 von 1.000 Unternehmen vor einem solchen Wechsel. „Fast die Hälfte der Übernahmen erwarten wir im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen, gefolgt vom produzierenden Gewerbe und Handel“, so die Studienautoren.

Großer Kandidatenmangel

Ein Problem: Für einen Großteil der Studienabgänger ist soziale Sicherheit attraktiver als Unternehmertum, hat sich in der jüngsten Zeit herauskristallisiert. Helfen könnte hier, wenn Unternehmensnachfolger mehr Planungssicherheit für die Zukunft bekommen – und nicht ein Plus an gesetzlicher Regulatorik.

Demografiewandel: Nach der Babyboomer-Generation sind die Jahrgänge kleiner geworden. Foto: Dzmitry – stock.adobe.com

Demografiewandel: Nach der Babyboomer-Generation sind die Jahrgänge kleiner geworden. Foto: Dzmitry – stock.adobe.com

Die mit Abstand größte Hürde für eine Übernahme ist laut Förderbank KfW für 79 Prozent der fast 11.000 Befragten der Mangel an geeigneten Kandidaten. Hintergrund: Auf die geburtenstarke Babyboomer-Generation folgen deutlich kleinere Jahrgänge. Es fehlt also schlicht an Menschen, die einen Betrieb übernehmen könnten. Zugleich steigt der Bedarf an Nachfolgern. Schon fast ein Drittel der Unternehmer ist 60 Jahre oder älter. Dazu kommt das allgemeine Umfeld. Immer wieder gestörte Lieferketten, Krieg in der Ukraine und in Nahost, die Coronapandemie und dann auch noch der Fachkräftemangel.

„Die sich kumulierenden Krisen und Probleme haben deutliche Auswirkungen auf die Unternehmensnachfolge im Mittelstand“, weiß Marc Evers, der sich bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) um das Thema kümmert. „Nach unseren Zahlen hatten wir 2021 fast dreimal so viele Unternehmen, die einen Nachfolger suchten, wie Interessenten an einer Übernahme. 2019, also vor Corona, lag dieses Verhältnis noch bei knapp zwei zu eins.“

Immerhin: Junge Menschen stehen Existenzgründungen und dem Unternehmertum grundsätzlich recht positiv gegenüber – das hat die DIHK in Studien festgestellt. Vorausgesetzt allerdings, den jungen Leuten wurde das Thema im Schulunterricht nähergebracht. Vielerorts war – oder ist – das aber leider nicht der Fall, wie Evers bedauert.

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