Standort Deutschland

So krank wie noch nie

Der Krankenstand unter den Beschäftigten war lange extrem hoch. Das belastet die Betriebsabläufe – und kostet die Unternehmen zig Milliarden

von Nadine Bettray

· Lesezeit 2 Minuten.
Hatschi: Weit und breit sieht man verschnupfte Nasen. Foto: stokkete – stock.adobe.com

Volle Wartezimmer bei den Ärzten und entsprechend verwaiste Werkbänke – davon konnte bis vor Kurzem so mancher berichten. Und das Gefühl täuscht nicht. Die Deutschen waren krank wie nie. Zumindest, wenn man sich die Daten für März 2023 anschaut.

Laut Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) war der Gesamtkrankenstand mit 7,02 Prozent im März so hoch wie noch nie seit Beginn der hauseigenen Analysen. Das ergibt die aktuelle Auswertung für die rund 4,5 Millionen berufstätigen BKK-Versicherten.  Ähnliche Rekordwerte vermeldet auch der Branchenprimus Techniker Krankenkasse.

Grippe, Bronchtitis und Corona

Diese Krankheitswelle war ungewöhnlich. Zumindest für einen Frühling, so ein Gesundheitsteam der BKK, das maßgeblich an den monatlichen Reportings mitarbeitet. „Im Wesentlichen ist der hohe Krankenstand in den vergangenen Monaten auf die sonst saisonal meist in den Herbst- und Wintermonaten auftretenden Atemwegserkrankungen zurückzuführen.“

Grippe, Bronchitis, Corona: Mehrere virale Erreger zirkulieren gleichzeitig und treffen auf einen perfekten Nährboden. Die Coronamaßnahmen sind so gut wie alle aufgehoben und enges persönliches Beieinandersein wieder erlaubt. Die logische Folge: ein hoher Krankenstand. Was für den einzelnen Betroffenen schon ärgerlich genug ist, wirkt sich für die Unternehmen unmittelbar auf betriebliche Abläufe aus. Ein Teil des Arbeitsausfalls wird vielleicht durch gesunde Kolleginnen und Kollegen aufgefangen oder später durch die Erkrankten selbst  nachgeholt – aber längst nicht alles. Es wird also weniger geleistet, und das bei enorm hohen Kosten.

Schließlich bekommen die Beschäftigten in den ersten sechs Krankheitswochen ihr Gehalt wie gehabt vom Arbeitgeber, der für sie auch weiter seinen Anteil in die Sozialversicherungen einzahlt. Das Institut der deutschen Wirtschaft gibt in einer Studie an, dass die deutschen Arbeitgeber schon im Jahr 2021 hochgerechnet 77,7 Milliarden Euro an Entgeltfort- und Sozialbeitragszahlungen für krankgeschriebene Mitarbeiter leisten mussten.

„Verantwortlich für den hohen Krankenstand sind parallel zirkulierende Atemwegserreger“ - BKK Dachverband

Da der Krankenstand schon im Jahr 2022 ungewöhnlich hoch war, dürften die Zahlungen fürs Vorjahr undwomöglich auch für das laufende Jahr sogar noch höher liegen. Ausfälle wegen anderer Volkskrankheiten haben laut der BBK-Analyse nicht zugenommen, bei Muskel-Skelett-Erkrankungen oder psychischen Beschwerden ist die Zahl der Betroffenen in etwa stabil.

Mehr Arbeitsunfälle? Eigentlich nicht!

Nach Angabe der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gab es übrigens im Jahr 2021 erstmals seit Langem wieder mehr meldepflichtige Arbeitsunfälle: Über 800.000 waren es – ein Plus von 6 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020. Aber: Dieser erste Eindruck täuscht! Denn 2020 gab es einen deutlichen Einbruch der Unfallzahlen, kein Wunder angesichts von Lockdown und Betriebsschließungen. Was daher unter dem Strich zählt: 2021 gab es weniger Arbeitsunfälle als vor der Coronazeit. Und die vorläufigen Zahlen der DGUV fürs erste Halbjahr 2022 lassen vermuten, dass die Zahl weiter zurückgegangen ist.

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