Debatte

Ist Väterurlaub eine gute Idee?

Künftig können sich auch Väter nach der Geburt eines Kindes zwei Wochen vom Job freistellen lassen. So plant es die Bundesfamilienministerin. Unsere Autoren diskutieren, ob das nötig ist.

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Ja, das hat Signalwirkung

Sich um ein neugeborenes Baby zu kümmern, ist kein Urlaub. Deshalb ist es ein wichtiges Signal, dass die Bundesfamilienministerin nun plant, neben den Müttern auch ihre Partner direkt nach der Geburt von der Arbeit freizustellen. Der Staat zeigt: Es ist gewollt, dass beide Eltern sich von Anfang an gleichberechtigt um den Nachwuchs kümmern. Der kostbare Erholungsurlaub muss dafür nicht aufgewandt werden. 

Die Freistellung hat eine Reihe positiver Effekte. Die ersten zwei Wochen nach der Geburt sind sehr bedeutsam für das Neugeborene und die Eltern. Väter bekommen die Möglichkeit, von vornherein eine enge Bindung zum Kind aufzubauen. Außer dem Stillen können sie sich alle Aufgaben mit den Müttern teilen, vom Wickeln bis zum Beruhigen des Kindes, wenn es schreit. Das entlastet die Mütter nicht nur unmittelbar nach der Geburt, von der sie sich erst erholen müssen. Sondern es kann auch fördern, dass die Eltern sich Erziehungs- und Sorgearbeit langfristig gleichmäßiger aufteilen. In vielen Familien ist es immer noch so, dass die Mütter sich von Anfang an deutlich mehr um den Nachwuchs und den Haushalt kümmern – und das viele Jahre beibehalten. Oft führt das dazu, dass sie beruflich zurückstecken und ungewollt nur in Teilzeit arbeiten.

Natürlich ist es mit der zweiwöchigen Freistellung für die Partner nicht getan. Im Idealfall kommen Männer dadurch aber sogar auf den Geschmack, sich für eine längere Elternzeit zu entscheiden. Bislang beantragen nur etwas mehr als 40 Prozent der Väter überhaupt Elterngeld. Und unter ihnen entscheidet sich der Großteil lediglich für zwei Monate – also das Minimum, das sie nehmen müssen, um den maximalen Elterngeld-Zeitraum der Familie auszureizen. Außerdem werden diese Monate oft nicht in der wichtigen Zeit direkt nach der Geburt genommen, sondern erst deutlich später.

Bei der Ausgestaltung des neuen Anspruchs muss sichergestellt werden, dass der Lohn zu 100 Prozent weitergezahlt wird. Gerade Familien mit geringen Einkommen können sonst in finanzielle Schwierigkeiten kommen. Und die neue Leistung, die gerade noch zu häufig „Vaterschaftsurlaub“ genannt wird, sollte einen vernünftigen Namen bekommen – Familienzeit zum Beispiel.

Christine Haas ist Redakteurin für KAUTSCHUK Unser Ding. Foto: IW Medien

Christine Haas ist Redakteurin für KAUTSCHUK Unser Ding. Foto: IW Medien

Nein, genug ist genug

Ein zusätzlicher Urlaub für Väter ist ein überflüssiges Wohlstandsbonbon und kein geeignetes Instrument, um die partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit zu unterstützen. Denn es gibt bereits genug Vereinbarkeitsangebote für Männer, die wenig genutzt werden. So nehmen rund 60 Prozent der Männer keine Elternzeit in Anspruch. Und unter den Beziehern entscheiden sich drei von vier Vätern maximal für zwei Monate.

Zumeist dürfte das darin begründet sein, dass nach wie vor das klassische Rollenbild vorherrscht, Männer mehr als Frauen verdienen und einen Karriereknick befürchten, wenn sie sich für die Kindesbetreuung entscheiden. Da helfen auch zwei Wochen Extra-Urlaub nicht, tradierte Verhältnisse zu überwinden. Außerdem stehen vielen Arbeitnehmern um die 30 freie Tage im Jahr zur Verfügung. Die meisten Betriebe gewähren zudem Sonderurlaub bei Geburt des Kindes. Und in der Regel haben die Eltern viel Vorbereitungszeit: Die Wochenbett-Betreuung einzuplanen und Urlaubstage aufzusparen, dürfte daher keine Überforderung für die Väter sein. Sie brauchen nicht den Staat, um daran erinnert zu werden, Frau und Kind zu umsorgen.

Darüber hinaus werden den Unternehmen durch die vergütete Freistellung von Neuvätern zusätzliche Bürokratie und Kosten aufgebürdet. Angesichts der aktuell großen wirtschaftlichen Unsicherheit und des enormen Fachkräftemangels mit ohnehin schon schwieriger Personalsituation ist das eine schlechte Idee. Im Grunde hat das auch Familienministerin Lisa Paus erkannt und das Vorhaben Vaterschaftsurlaub bis 2024 auf Eis gelegt. Sie begründete den Aufschub mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage, vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen. Dass die konjunkturellen Umstände im kommenden Jahr merklich besser sind, darf bezweifelt werden.

Ob besonders Kleinbetriebe den Vaterschaftsurlaub dann ohne Weiteres werden stemmen können – personell wie finanziell –, ist ungewiss. Daher sollte der Staat überflüssige Belastungen unbedingt vermeiden. Familienpolitik mit der Brechstange lenkt den Fokus weg von einem wichtigeren Problem: dem Gender Pay Gap, also der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen. Solange die Lohnungleichheit so groß bleibt wie aktuell, werden Männer sich zwangsläufig mehr als Versorger statt Fürsorger verstehen.

Roman Winnicki ist Redakteur für KAUTSCHUK Unser Ding. Foto: IW Medien

Roman Winnicki ist Redakteur für KAUTSCHUK Unser Ding. Foto: IW Medien
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